Viele Interessierte kamen am vergangenen Donnerstag, 31. August, zum SPD-Stadtgespräch in die UmbauBar. Das Diskussionsthema, zu dem die Ortsvereinsvorsitzende Monika Baukloh die Gäste begrüßte, ist deutschlandweit relevant: Die finanzielle Situation von Kindertagesstätten und ihren Betreibern.

Geld ist bekanntlich überall knapp, doch in Nordrhein-Westfalen sei die Situation besonders dramatisch, erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete Gordan Dudas, der zu dem Stadtgespräch einen thematisch erfahrenen Kollegen mitbrachte: Der Hagener Wolfgang Jörg ist im Düsseldorfer Landtag Vorsitzender des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend.
Darüber hinaus ist Jörg Vorstands-Vorsitzender des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis. Die Arbeiterwohlfahrt ist selbst Träger zahlreicher Kindertagesstätten und daher ebenso von der Situation betroffen, die er als furchtbar beschreibt.
Dudas solidarisiert sich mit Kita-Trägern
Der Einladung zur Diskussionsrunde folgten auch mehrere Vertreter hiesiger Kitas, die in mehr oder minder ähnlicher Weise von der aktuellen Lage berichteten. Zunächst fasste Gordan Dudas diese zusammen, obgleich er einräumte, bei dem Themenkomplex kein Fachmann zu sein. Allerdings solidarisierte er sich ausdrücklich mit den Kita-Trägern, aber auch mit den Erzieherinnen und Erziehern, deren deutliche Tariferhöung er als absolut richtig und überfällig einstufte.

Allerdings, so der Tenor zu Beginn der Veranstaltung, sei es diese Tariferhöhung, die nach massiven Kostensteigerungen durch Corona, dem Ukrainekrieg und der Energiekrise unzählige Kitas entgültig an den Rand ihrer Existenz drängen würde.
Der Landtagsabgeordnete sieht darin aber nicht die Ursache, sondern höchstens einen Auslöser. Hauptproblem sei die Struktur der Finanzierung. Die Folgen seien deutlich: Den Kitas, aber auch den Trägern der Offenen Ganztagsschulen würde bald das Geld ausgehen, es drohten in naher Zukunft Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und Kita-Schließungen auf breiter Front.
„Wirtschaftliche, pädagogische und gesellschaftliche Probleme“
Dabei verursache die Struktur nicht nur wirtschaftliche Probleme, sondern auch pädagogische und sogar gesellschaftliche. Das erläuterte Wolfgang Jörg in seinen Ausführungen. Die Schuld sehe er in dem Kinderbildungsgesetz „KiBiz“ und der daraus resultierenden Spitzabrechnung. Diese würde dazu führen, dass die notwendigen Mittel über Jahre zu spät und rückwirkend fließen würden. Sinnvoller wäre ein ausreichender Sockelbetrag als grundlegende Finanzierung. Der natürlich vernünftig dimensioniert sein müsste. Nach eigener Aussage bedauert es Jörg, dass er es als SPD-Landtagspolitiker zu Zeiten der rot-grünen Koalition nicht geschafft hätte, KiBiz abzuschaffen.
Jörg macht sich, wie die anwesenden Führungskräfte von Kindertagesstätten, nicht nur Sorgen um die ganz akute wirtschaftliche Lage. Die er aber mit dramatischen Zahlen beschrieb: „Wir bräuchten in NRW etwa 600 Millionen Euro, um die akute Not zu lindern“. Wichtig, auch aus pädagogischer Sicht, sei allerdings ein völliges Umkrempeln des Bildungssystems, was seiner Einschätzung nach mit Kosten von etwa zwei Milliarden Euro verbunden sei. Zwar würde die Vorgaben es vorsehen, dass die Erzieherinnen und Erzieher mit jedem Kind möglichst viel kommunizieren, um dessen Sprachvermögen zu fördern. Doch das sei angesichts von Gruppen mit teils 20 unterschiedlichen Nationalitäten völlig illusorisch. Die Folge: Massiver Leistungsverlust in den Grundschulen, da durch mangelnde Sprachkenntnisse der Unterricht erheblich erschwert und ausgebremst würde. Die Folgen würden in der Gesellschaft schon bald zu spüren sein.
„Drohen Sie mit Liebesentzug“
Bei den Anwesenden verfehlten die Ausführungen nicht ihre Wirkung. Allerdings machte Jörg auch Mut. Zwar habe die derzeitige Landesregierung bislang nicht adäquat auf die Sitution reagiert, doch er könne sich auch nicht vorstellen, dass in letzter Instanz ein Zusammenbruch des Systems zugelassen würde. Sein Vorschlag: „Drohen Sie mit Liebesentzug“. Mit anderen Worten: Es soll Druck auf die Politik ausgeübt werden.
In dem Punkt waren sich die Anwesenden einig. Niemand wollte sich ausmalen, welchen Folgen Insolvenzen von Kitas auf breiter Front hätten. Die Sorgen seien derzeit erdrückend, das wurde aus den Schilderungen beispielsweise von Marius Schriever, Elterninitiative „Kunterbunt“ deutlich. Obgleich Institutionen wie die AWO wirtschaftlich völlig anders aufgestellt sind, sind die Sorgen und Probleme ähnlich, bekräftigt auch Anika Autschbach, die sich als Vertreterin des AWO-Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein/Olpe den Ausführungen anschloss.