Wegen einer Häufung tödlicher Unfälle war die Prioreier Straße in Breckerfeld seit 1981 für Motorräder gesperrt. Nachdem ein Mitglied des Bundesverbandes der Motorradfahrer (BVDM) gegen diese Sperrung geklagt hatte, wurde dieser kurvenlastige Abschnitt der L701 zwischen Breckerfeld und Volmetal per Gerichtsbeschluss im Sommer 2022 wieder für Kradfahrer freigegeben. Unter anderem begründet damit, die rund 40 Jahre währende Sperrung für Motorräder sei aufgrund einer veralteten Datenlage nicht länger zu rechtfertigen.
Offiziell zwei Unfälle im Mai
Diese Datenlage könnte sich schnell aktualisieren: In diesem Jahr gab es allein im vergangenen Mai bereits zwei – offiziell bekannte – Unfälle, bei denen Motorradfahrer verunglückten und sich schwer beziehungsweise lebensgefährlich verletzten. Ereignisse, die nicht nur das für Breckerfeld zuständige Straßenverkehrsamt in Schwelm auf den Plan riefen, sondern die auch in der Sitzung des Planungs-, Bau- und Umweltausschusses am Dienstag, 30. Mai, zur Sprache kamen.
„Bisher keine ausreichenden Daten“
Dass „irgendetwas angeordnet werden“ müsse, damit dort nicht noch mehr schwere Motorradunfälle passieren – diesen Standpunkt habe er gegenüber dem Straßenverkehrsamt deutlich gemacht, so Bürgermeister André Dahlhaus in der Sitzung.
Doch selbst wenn Stadtverwaltung, Straßenverkehrsamt und der Landesbetrieb Straßen.NRW es wollten: Es liegen (noch) keine ausreichenden Daten vor, um von einer „außerordentlich hohen Unfallhäufigkeit sprechen und eine Sperrung anordnen zu können“, zitierte Dahlhaus aus einem Antwortschreiben des Straßenverkehrsamtes.
Drei Unfälle innerhalb 500 Meter
Dies bestätigte Michael Schäfer, Fachbereichsleiter Ordnung und Straßenverkehr beim Straßenverkehrsamt Schwelm, gegenüber LokalDirekt: „Eine durchgängige Sperrung der Prioreier Straße für Motorräder ist erst dann möglich, wenn dort nachweislich eine so genannte Unfallhäufungslinie besteht.“ Heißt konkret: Erst wenn innerhalb eines Abschnitts von 500 Metern drei Motorradunfälle gleichen Grundtyps passieren, sei dort von einem erhöhten Unfallrisiko auszugehen und eine Sperrung gerechtfertigt. Dabei ist es nicht relevant, ob und in welchem Ausmaß es unfallbedingte Personenschäden gebe, es reiche, dass das verunfallte Motorrad erheblichen Sachschaden aufweise.
Die beiden Unfallorte vergangenen Mai lagen demnach auf der Prioreier Straße de facto zu weit auseinander, um die Strecke insgesamt als Unfallhäufungslinie einzustufen.
Maßnahmen gegen „Applauskurven“
„Das heißt aber nicht, dass wir abwarten wollen bis noch mehr passiert“, betont Michael Schäfer. Das Straßenverkehrsamt sei sich hier seiner Verantwortung bewusst.
Und weiter: „Die allermeisten Motorradfahrer verhalten sich vernünftig. Äußerst bedenklich sind eher die vor allem abends und am Wochenende stattfindenden ‚Raser-Treffen‘ an den Park- und Ausweichbuchten.“ Gegen diese Versammlungen an den auch als ‚Applauskurven‘ bezeichneten Stellen gebe es nun erste Maßnahmen, weitere könnten nach einem Beobachtungszeitraum von acht Wochen folgen.

Parkplätze gesperrt
Die erste Maßnahme ist die bauliche Sperrung der Parkplätze und Buchten: „Mitarbeiter der Kreisverwaltung waren kürzlich vor Ort und berichten von Dutzenden, zumeist jüngeren Motorradfahrern, die auf der Prioreier Straße mehrmals hintereinander hoch und runter donnern, sich mehr als waghalsig in die Kurven legen und dabei von Gleichgesinnten filmen lassen“, sagt Schäfer. Um dies und damit gleichzeitig auch die enorme Lärmbelästigung der Anwohner zu unterbinden, sei der Landesbetrieb Straßen.NRW damit beauftragt, umgehend die Flächen an den ‚Applauskurven‘ zu schließen.
Büsche statt Asphalt
Diese Ad-hoc-Maßnahme hat der Landesbetrieb jetzt in Angriff genommen, die Beschilderung an den Parkplätzen entfernt und die Zufahrten – vorerst – mit einem Erdwall zugeschüttet. Langfristig sei geplant, die Buchten beziehungsweise Parkplätze an den ‚Applauskurven‘ komplett zu entsiegeln: „Wir brauchen diese Flächen nicht“, so Andreas Berg von der Pressestelle Straßen.NRW. Weil sie an keinen Wander- oder Fußweg anschließen, soll dort der Asphalt abgetragen werden und eine Kompensationsmaßnahme – sprich: Bepflanzung – erfolgen.
„Tempolimits bringen nichts“
Sowohl das Straßenverkehrsamt und Straßen.NRW als auch die zuständige Unfallkommission sind sich einig, dass nach den beiden letzten Motorradunfällen dringender Handlungsbedarf besteht. Eine Absenkung des Tempolimits stände jedoch nicht zur Diskussion: „Erfahrungen mit anderen Strecken wie zum Beispiel in Herscheid auf der Nordhelle haben gezeigt, dass sie nichts bringen“, so Michael Schäfer. Vielmehr soll an der Priorei ein mehrstufiges Maßnahmenkonzept greifen.
Erneute Komplettsperrung nicht ausgeschlossen
„Sollte es innerhalb der kommenden acht Wochen weiterhin Treffen an den ‚Applauskurven‘ geben, werden wir die Straße temporär, das heißt an Wochenenden und Feiertagen, für Motorräder sperren.“ Bliebe auch das ohne Wirkung oder komme es innerhalb des Beobachtungszeitraumes zu weiteren schweren Motorradunfällen, ist das Straßenverkehrsamt gewillt, den Streckenverlauf wieder komplett für alle Motorradfahrer zu verbieten.
„Unbelehrbare Heißsporne“
Sowohl Michael Schäfer als auch der Sprecher des Landesbetriebes betonen, es gehe bei diesen Maßnahmen und insgesamt bei der Diskussion um die Prioreier Straße nicht darum, alle Motorradfahrer als ‚unvernünftige Raser‘ zu stigmatisieren: „Es sind vielleicht 10 bis 15 Prozent der Motorradfahrer, die sich an keinerlei Regeln halten oder mit ihrer Fahrweise Unfälle provozieren“, sagt Berg.
Aber genau diese „Klientel an unbelehrbaren Heißspornen“ (Berg) lasse befürchten, dass es nicht bei den zwei Motorradunfällen vom Mai bleibe – und die Prioreier Straße noch in diesem Sommer den Status ‚Unfallhäufungslinie‘ erreichen werde.
Und damit wäre dann ein absolutes Verbot für Motorräder – aufgrund einer dann wieder aktuellen Datenlage – auch von Amts wegen gerechtfertigt.