Nach der Wahl ist vor der Wahl. Das gilt in diesem Fall für die Abstimmung darüber, wer für die nächsten fünf Jahre auf dem Chefsessel im Rathaus Platz nimmt. Die parteilose, von der CDU unterstützte Melita Alzorba oder der SPD-Amtsinhaber Sebastian Wagemeyer? Nach dem Urnengang vom 14. September ist für beide noch nichts verloren, aber auch noch nichts gewonnen.

Bei der Stichwahl am 28. September werden die Karten neu gemischt. Sebastian Wagemeyer könnte leicht favorisiert in dieses Rennen gehen. Er hatte am Sonntag in fast allen Wahlbezirken die Nase vorn. Nur in drei Bezirken holte Melita Alzorba mehr Stimmen.

Welche Rolle können die AfD-Wähler vom vergangenen Sonntag dabei spielen? Immerhin erhielt ihr Kandidat Thomas Staubach 4716 Stimmen. Werden sich die Anhänger der Partei vom rechten Rand damit begnügen, dass sie mit sieben Männern und einer Frau die AfD als drittstärkste Fraktion in den Stadtrat gewählt haben und bei der Stichwahl zuhause bleiben? Oder ein Teil davon? Ob sie das Zünglein an der Waage sein wollen, können nur die beantworten, die am Sonntag Thomas Staubach ihre Stimme gegeben haben.

Ansonsten hat der AfD-Erfolg die Gewichte in der Rats- und Ausschussarbeit deutlich verschoben. Die Mehrheit der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist Geschichte. In der Summe verfügt die ehemalige Kooperation über noch über 19 Sitze. Das ist weit von einer Mehrheit entfernt. CDU und SPD kommen gemeinsam auf 29 Sitze (62,98 Prozent der Stimmen). Ob sie angesichts der neuen Kräfteverhältnisse im Stadtrat zusammenarbeiten werden, das hängt sicher auch vom Ausgang der Stichwahl in zwei Wochen ab.

Auch dann wird es auf jede Stimme ankommen. Das zeigen die Ergebnisse vom Sonntag. So gewann Ramona Ullrich (SPD) ihren Bezirk mit gerade mal zwei Stimmen vor dem CDU-Mann Michael Meyer. Mit vier Stimmen Vorsprung fiel der Wahlsieg von SPD-Fraktionschef Jens Voß vor dem ebenfalls populären CDU-Bewerber Björn Weiß ähnlich knapp aus.

Warum es die Parteien nicht schaffen, in diesen polarisierenden Zeiten mehr Wählerinnen und Wähler zu den Urnen zu bringen, bleibt ein Rätsel. Dass gerade mal 47,88 Prozent der Wahlberechtigten in Lüdenscheid ihr Wahlrecht nutzten, ist ein Armutszeugnis. Wahlen sind als organisierter Machtkampf der Politik schließlich ein Grundpfeiler der Demokratie.  Hohe Wahlbeteiligung kann ein böses Erwachen verhindern. Weil Nichtwählen aus Protest einfach nicht funktioniert.