„Können Sie nichts machen? Die Menschen dort sind wirklich arm dran. Es ist kalt und nach wie vor fühlt sich niemand zuständig“, fragt ein älterer Mann beim Kaffeetrinken der SPD. Seit Jahren ist das Nachrodter Feld ein Thema in der Gemeinde. Von Immobilien-Hai zu Immobilien-Hai weiterverkauft, bleiben vor allem die Mieter auf der Strecke. Es gibt keine seriösen Ansprechpartner. Niemand fühlt sich zuständig.
Die Eigentumsverhältnisse sind seit Monaten unklar. Gegen die Caesar JV Immobilienbesitz GmbH, die die Häuser inzwischen angeblich verkauft hat, läuft ein Insolvenzverfahren, die Firma Ivory Properties Management 1 bis 3 in Luxemburg, soll die neue Besitzerin sein. Ist aber nicht im Grundbuch eingetragen. Das Pikante daran: Nach Recherchen von Rechtsanwalt Armin Speckmann gehören beide Firmen zu einem Konzern. Ist es also eine Masche, den Grundbucheintrag nicht ändern zu lassen? Ein entsprechender Antrag darauf liege nämlich nach wie vor noch nicht beim Amtsgericht vor, wie der Nachrodter Anwalt berichtet. Seine Vermutung ist, dass der Verkauf nur gemacht wurde, um eine sogenannte Auflassungsvormerkung auf den Namen eines Dritten im Grundbuch zu vermerken. Diese wird nämlich eingetragen, wenn ein Vertrag geschlossen wurde und sperrt den Grundbesitz gegen Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des bisherigen Eigentümers. Auf die finale Auflassung wird nun gewartet. Dass die zeitnah noch kommt, glaubt Speckmann nicht: „Bei Caesar ist keiner mehr da, der die Auflassung machen könnte. Rein Verfügungsberechtigt ist der Insolvenzverwalter. Der war noch nie da.“
Auch die Gemeinde hat sich schon bemüht. Wollte die Häuser sogar kaufen – ist jedoch gescheitert. Einfach so Heizöl kaufen, kann eine Kommune nicht, wie Ordnungsamtsleiter Sebastian Putz erklärt. Der Gemeindeverwaltung sind die Hände gebunden. „Ein Mietvertrag ist Privatrecht. Wir müssen nach Wohnraumstärkungsgesetz die Wohnungsaufsicht übernehmen und entscheiden, ob die Mindestanforderungen an Wohnraum erfüllt werden“, erklärt Putz. Zudem gäbe es aktuell eine Zwangsverwaltung. Anwalt Armin Speckmann verwaltet seit 2022 ein Treuhandkonto. Es würde sich also gekümmert. Vor allem aber müsse die Gemeinde Kenntnis darüber haben, dass wieder kein Heizöl da ist. „Ich habe am 6. Januar davon erfahren und Herrn Speckmann sofort kontaktiert. Der hatte es kurz vorher selbst erfahren und hatte sich bereits um eine Heizöllieferung gekümmert“, sagte Sebastian Putz.
„Die einzige Handhabe, die wir als Gemeinde hätten, wäre zu sagen, dass die Mindestanforderungen an Wohnraum dort nicht erfüllt sind. Aber das brächte Konsequenzen mit sich, mit denen keinem geholfen ist“, betonte der Ordnungsamtsleiter. Denn in dem Moment, in dem die Gemeinde diesen Schritt geht, müssten die Mieter unverzüglich ausziehen. „Aber wohin? Wir haben hier keine 60 Wohnungen“, erklärte Putz. Außerdem lebten dort viele Senioren – für sie sei ein Umzug nicht machbar.
Rechtsanwalt Armin Speckmann vertritt aktuell 57 Parteien. Insgesamt gibt es im Nachrodter Feld 120 Einheiten. Der Leerstand liegt derzeit bei rund 40 Prozent. „Es gibt Häuser, die fast komplett leer sind. Andere, wie die an der Freiherr-von-Stein-Straße, sind noch fast voll“, erzählt der Anwalt. Speckmann hatte seiner Zeit das Treuhandkonto eingerichtet, auf das derzeit die Mieten seiner Mandanten eingezahlt werden. Davon werde die rudimentäre Erhaltung finanziert. Dazu zählten Strom, Wasser, Gas und Öl sowie dringend notwendige Reparaturen – wie beispielsweise Rohrbrüche. Nahezu alle Mieter haben sich zusammengetan und lassen sich durch Speckmann vertreten – eben weil das die einzige Chance ist, ein Mindestmaß an Versorgung zu bekommen. „Es gibt ein paar Ausnahmen, die sich nicht angeschlossen haben und jetzt einfach nur das Solidarprinzip ausnutzen“, erklärt Speckmann. So gäbe es Bewohner, die aktuell nichts zahlten und auf Kosten der anderen lebten – denn die Ölheizungen ließen sich nicht pro Wohnung regulieren. Wenn Öl da ist, stehe das immer dem gesamten Haus zur Verfügung.