Über das richtige Heizen mit Holz informiert in Kürze die Gemeinde Herscheid bei einem Online-Vortrag. Stellt sich die zentrale Frage: Was wird da eigentlich verheizt? Eines der nächstgelegenen Pelletwerke steht keine 14 Kilometer Luftlinie vom LokalDirekt-Sektor entfernt.

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CO2-neutral, autark und vor Ort produziert: Das Oedinger Holzindustrieunternehmen Schmelter erzeugt aus Hobelspänen und Hackschnitzeln Pellets. Reststoffe aus der Produktion werden in völlig neu aufgebauter Vorzeigeanlage zu wertvollem zertifizierten Brennstoff. Die Anlieferung erfolgt im Silolaster oder als Sackware im 70-Kilometer-Radius.

Alles hängt mit allem zusammen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Die seinerzeitige fatale Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas (einst 55 Prozent), russischer Steinkohle und Steinkohlekoks (einst 45 Prozent) und russischem Erdöl (einst 36 Prozent). Die Klimakrise und die dringende Notwendigkeit, auf die Verbrennung fossiler Energieträger zugunsten „Erneuerbarer“ zu verzichten, um den CO2-Ausstoß zu verringern.

Vor diesem Hintergrund startete der Oedinger Konstruktionsholzhersteller Schmelter mit einem neuen Pelletswerk, um aus Produktionsresten einen hochwertigen Energieträger zur Beheizung unserer Häuser und Betriebe herzustellen – nahezu CO2-neutral, vom Welt-Energiemarkt autark, zertifiziert und bis ins Haus transportiert. 

In der Revolverpressung werden im Oedinger Konstruktionsholzwerk aus einzelnen Brettern starke Leimbinder.
Foto: St. Aschauer-Hundt

Die Josef Schmelter GmbH mit Sitz auf dem Plateau der alten Sauerland-Kaserne in Oedingen stellt aus roh angelieferten Schnitthölzern hochpräzises Konstruktionsholz her. Zur Weiterverarbeitung zu Brettschichtholz (im Volksmund: Leimbinder), Konstruktionsvollholz und Balkenschichtholz werden die Vorprodukte gehobelt, Schadstellen herausgekappt, keilgezinkt, verklebt und die Hölzer auf Kundenmaß abgelängt. Dabei fallen pro Arbeitstag bis zu vier Sattelzüge Hobelspäne und bis zu zwei Lastzüge „Kappholz“ an – Reststoffe, die bisher zu nichts anderem zu gebrauchen waren als zu Tiereinstreu (aus den Hobelspänen) oder als Brennmaterial (als Hackschnitzel, gewonnen aus dem Kappholz).  Ein großer Berg mit gehacktem Kappholz lässt erahnen, welche Massen Reststoff im Werk anfallen und „untergebracht“ werden müssen.

Die Produktionsreste aus der Leimbinderproduktion werden für die Pelletherstellung bereitgestellt.
Foto: St. Aschauer-Hundt

 

Hobelspäne für die Spanplattenproduktion ungeeignet

Um die Antwort auf eine auf der Hand liegende Frage vorweg zu nehmen: Für die Holzwerkstoffindustrie  (z.B. Spanplatten) sind Hobelspäne ungeeignet; es entsteht aus dem Reststoff keine solide, verlässliche Platte. Spanplattenhersteller winkten ab, sobald sie das Wort Hobelspan hörten, sagt Lutz Schmelter, der Geschäftsführer des Konstruktionsholzwerkes in Oedingen. Wohin also mit den Mengen? Für den Abtransport der Reste zu den Abnehmern waren früher werktäglich über 1.000 Lastzugkilometer zu leisten – und mehr. Schmelter empfand das zunehmend als bedrückend: „Wir hatten an der Stelle eine schlechte Wertschöpfung zu schlechten Preisen. Die Transporte empfanden wir als unökologisch.“ Und dann war da noch die schiere Masse, die täglich anfiel. Die Idee reifte, an Ort und Stelle ein eigenes Produkt daraus zu machen – die  Lennestädter Pellets.

„Wir hatten durch unser Wachstum die kritische Masse erreicht und rechneten aus, dass wir pro Jahr 25.000 Tonnen Pellets produzieren können. Das Rohmaterial haben wir zum Großteil direkt vor Ort  – völlig trocken und ohne Antransport.“ Lutz Schmelter rechnet vor, dass so viel Reststoff vorhanden ist, dass daraus jeden Werktag bis zu zwei Silolaster Pellets hergestellt werden können. Kleine Rechnung: Bei der Produktion der Pellets wird das Restholz um den Faktor fünf verdichtet. Ein Kubikmeter Hobelspäne wiegt 120 kg, ein Kubikmeter Pellets 630 bis 670 kg.

Viele im Sauerland heizen mit Pellets – oft von weit her

 Viele Sauerländer heizen bereits mit Pellets und beziehen ihren Brennstoff teils von weit her. An dieser Stelle wollte Lutz Schmelter ansetzen und am Ort einen vierfachen ökologischen Mehrwert schaffen:
„1. - Fossiler Brennstoff kann durch die CO2-neutralen Pellets substituiert werden.
2. - Wir selber reduzieren unseren Lkw-Verkehr für die Span-Abfuhr und lösen dadurch weniger Emissionen aus.
3. - Weil unser Werk den Rohstoff gleich vor Ort hat, gibt es nur wenig Antransport von Basismaterial für Pellets.
4. - Durch unsere kurzen Wege zu den Pelletskunden wird ein weiteres Mal Lkw-Verkehr reduziert.“
Ganz am Rande: Als der neue Geschäftszweig spruchreif wurde, war von der vom russischen Angriffskrieg ausgelösten Energiekrise noch nichts zu erkennen – Schmelter investierte aus ganz anderen, den beschriebenen  Gründen.

Aus dem Anlaufbetrieb des Pelletwerkes ist schnell die Regelproduktion geworden. Und: Nur ein Jahr hatte es gedauert vom Entschluss bis zur Fertigstellung. Möglich machten das zwei ausgefuchste Planer aus Estland und deutsche Maschinenbauer, die die einzelnen Komponenten zulieferten, dazu natürlich heimische Baufachleute und Handwerker. Im Regelbetrieb wird die Anlage von einem Mitarbeiter betreut; drei Schmelter-Betriebsangehörige sind in den Betrieb des Pelletswerkes eingewiesen.

 

Ein Rundgang durch die Vorzeigeanlage: Wie funktioniert sie?

 

Wie aber werden die Premium-Pellets produziert? Lutz Schmelter führt durch die Anlage, die sich unmittelbar an der Verknüpfung des Betriebsgeländes mit der Gemeindestraße befindet. „So können die Silolaster direkt an der Verladung andocken, ohne durchs ganze Werk fahren zu müssen“, erklärt der Geschäftsführer. Schon aus der Ferne fällt das Pelletswerk durch seine großen silbernen Silos und das holzverkleidete Betriebsgebäude auf. Über eine aufgeständerte Pipeline ist der neue Trakt mit dem Produktionsgebäude verbunden, in dem das Konstruktionsholz hergestellt wird. Durch die Pipeline werden mit Druckluft die Hobelspäne ins Vorratssilo des Pelletswerk transportiert. Rundum in Rohr und Silo gekapselt, bleibt die absolute Trockenheit der Späne erhalten – was im weiteren Prozess noch  mehrfach detektiert wird.

Vom Vorratssilo führt der Weg der Späne in eine Mühle, die ein definiertes Holzpulver herstellt. Das Mahlgut wird automatisch beprobt und – sofern erforderlich – mit Weizenstärke versetzt und ggf. befeuchtet. Dann geht es weiter in die Presse, die eine elektrische Leistungsaufnahme aufweist, die Hochachtung abnötigt. Aus dem Holzstaub werden die Pellets gepresst, blanke ca. sechs Millimeter dicke Stifte um drei Zentimeter Länge. Bei der Pressung werden die Stäbchen glühend heiß und deswegen beim Weitertransport erst abgekühlt, dann mit einem Becherwerk aufwärts ins Lagersilo befördert. Von dort wird die Lade- und Wiegestation erreicht, wo der ganze Silozug mit Pellets „betankt“, gewogen und mit Papieren versehen wird – ab zum Kunden.

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