„Ich bin selbst an Weihnachten alleine und weiß, wie das ist“, sagt Almuth Gärtner. Weihnachten – und gerade Heilig Abend – sei der Tag der Familie. Alle kommen zusammen und feiern. Im Alltag kompensieren Freunde oft die Lücke der fehlenden Angehörigen. Doch was ist an Weihnachten, wenn alle bei ihren Familien sind? „So entstand die Idee, ein Angebot zu schaffen für all die, die sonst alleine zuhause wären“, erzählt die Gemeindepädagogin. Nach dem Gottesdienst in Nachrodt soll gemeinsam gefeiert werden.
Aber eigentlich wird schon im Gottesdienst richtig gefeiert. Mit Partyhüten, Luftschlangen und kunterbunten Girlanden wird der Geburtstag von Jesus zelebriert. Danach geht es ins Gemeindehaus. Drei Frauen und ein Mann haben sich angemeldet – und zwei Hunde sind auch dabei. „Natürlich wären mehr schön. Aber ich bin zufrieden. Es gehört ja auch Mut dazu, sich anzumelden und zu kommen“, sagt Almuth Gärtner. Zuzugeben, dass man niemanden hat, mit dem man feiern kann, sei schwer und die Scham oft zu groß. „Ja, das stimmt schon. Es gibt eine Hemmschwelle. Ich habe auch lange überlegt, bin aber jetzt froh, dass ich es gemacht habe“, sagte eine der Teilnehmerinnen. Heilig Abend alleine sei einfach nicht schön. Überall gehe es um Familie und Gemeinschaft und man selbst sitze alleine im Wohnzimmer. Eine andere Teilnehmerin hat einen Sohn mit dem sie normalerweise feiert: „Aber die Frau von meinem Sohn stammt von den Philippinen. In diesem Jahr feiern sie Weihnachten bei ihrer Familie. Immer im Wechsel.“ Sie habe beispielsweise auch versucht, Bekannte, die ebenfalls am 24. Dezember alleine sind, für die Idee zu begeistern. Aber sie hätten abgelehnt.
Die Teilnehmer kennen sich unter einander nicht. Manche haben sich schonmal in der Gemeinde getroffen, doch so recht weiß niemand etwas über seinen Gegenüber. Das ändert sich beim gemeinsamen Essen schnell. „Jeder hat etwas zum Büfett beigetragen. Es gibt Würstchen und Salate“, erzählt Almuth Gärtner. Die Gäste kommen schnell ins Gespräch. „Es ist total spannend, wir kommen alle aus ganz unterschiedlichen Ecken und sind auch sonst ziemlich verschieden. Aber es passt trotzdem und man hat schnell viel zu erzählen“, freut sich die Gemeindepädagogin.
Nach dem Essen wird gespielt. Dafür hat Almuth Gärtner sogar extra ein Weihnachtsspiel erfunden. Der Spielplan gleicht dem klassischen Leiterspiel in XXL. Zudem müssen Fragen rund ums Weihnachtsfest beantwortet werden. Manches Rätsel ist gar nicht so leicht zu lösen. Wie beispielsweise: „Was ist eckig und nützlich. Es wird heute gefüllt und ist bald wieder leer?“ Die richtige Lösung wäre die Krippe. Dazu gibt es Süßigkeiten und Käsehappen. Die Weihnachtsgäste lassen es sich gut gehen. Es wird gelacht und geklönt. Die Stimmung wird immer entspannter. Wie lange gefeiert wird? „Keine Ahnung, bis wir keine Lust mehr haben. Aber bestimmt noch länger“, freut sich die Gemeindepädagogin.
Genau darin unterscheidet sich das Angebot auch von manch anderen. Oft gibt es zeitliche Begrenzungen. Hier entscheiden die Gäste, wann Schluss ist. Und eines ist schon klar: Im kommenden Jahr wird in Nachrodt wieder zusammen gefeiert – und vielleicht ist die Gruppe dann noch viel größer. Denn Scham muss hier niemand empfinden.