Beschlossen wurde die neue Strategie noch nicht, und es soll auch nicht in die weitere parlamentarische Beratung gehen – aus einem guten Grund. Darum hatten nämlich die Bürgermeisterin und die Bürgermeister der kreisangehörigen Städte und Gemeinden gebeten. Ihnen war das Gutachten in der Bürgermeisterkonferenz am 23. August vorgestellt worden. Die Verwaltungschefs baten um Aufschub, weil lediglich neun der 15 Bürgermeister anwesend waren.
Alle Akteure müssen mitmachen
„Tourismus kann im Märkischen Kreis nur gelingen, wenn alle Akteure mitmachen“, erklärte Kreisdirektorin Barbara Dienstel-Kümper im Kulturausschuss. Sie erinnerte an das 64.000 Euro teure Tourismusgutachten des Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr e.V. an der Universität München (kurz dwif e.V.), das der Kreis 2009 in Auftrag gegeben hatte. „Das Ziel, alle Player nach vorne zu bringen, ist nicht gelungen“, zog Dienstel-Kümper eine ernüchternde Bilanz im Kulturausschuss. Der Kreis selbst sei mit seiner Burg Altena, dem Deutschen Drahtmuseum und der Luisenhütte in Balve-Wocklum nur einer der vielen Leistungserbringer im Tourismus. „Wir brauchen eine neue Tourismus-Kultur, ein neues Tourismus-Bewusstsein.“
MK ist keine Urlaubsregion
Der Märkische Kreis ist keine Urlaubsregion wie etwa das Hochsauerland. Darin waren sich alle Akteure und Gutachter in der Vergangenheit einig. Die Chancen und Schwerpunkte liegen im Tagestourismus, im Geschäftsreise-Tourismus und im Kultur-Tourismus. Der Tourismus trage lediglich zu 1,2 Prozent am Wirtschaftsvolumen bei. Entscheidend für die Umsetzung der neuen Strategie sei jetzt das Votum der Bürgermeister-Konferenz. Die werden sehr interessiert den Vorschlag des Gutachters zur Kenntnis genommen haben, dass zur Umsetzung der Strategie als Mindestinvestition die Schaffung von drei Vollzeitstellen sowie die Aufstockung des Budgets auf mindestens 300.000 Euro für Personal, Marketing und sonstige betriebliche Ausgaben (SBA) für den FTV empfohlen wird.

Entscheidung nicht nur den Bürgermeistern überlassen
Daran wären die kreisangehörigen Städte und Gemeinden mit ihrem Anteil an der allgemeinen Kreisumlage dann beteiligt. Hinzu kämen die Ausgaben für die eigenen touristischen Aktivitäten. Immer mehr kreisangehörigen Kommunen rutschen aktuell in die Haushaltssicherung, Hemer und Iserlohn haben Haushaltssperren verhängt. Iserlohn droht ein Minus von rund 50 Millionen Euro. Und geht es nach Kirsten Jütte, CDU-Kreistagsabgeordnete und Mitglied im Kulturausschuss, dürfe die Umsetzung der neuen Tourismusstrategie MK ohnehin nicht allein der Bürgermeisterin und den Bürgermeistern überlassen werden. „Da muss auch die Kreispolitik beteiligt sein.“ Kirsten Jütte ist übrigens auch Vorsitzende des „Freizeit- und Tourismusverbandes Märkisches Sauerland e.V.“
Kommentar
Von Hendrik Klein
Das war alles schon einmal da
„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“ – das hat Karl Valentin einmal gesagt. Das ließe sich auch auf die Tourismusförderung im und für den Märkischen Kreis übertragen. Was hat es da in den vergangenen Jahrzehnten nicht alles gegeben und gibt es noch: „Tagen entlang der Sauerlandlinie“, „Agrotourismus“, „24 gastliche Sterne“, „Lenneroute“, „Drahthandelsweg“, „Sauerland Höhenflug“, Kultursprinter, Kulturtourismus, Beteiligungen an Camping- und Reisemessen, sogar an der ITB in Berlin, die touristischen Arbeitsgemeinschaften Lenne, Volme und Hönnetal – und nicht zuletzt den Sauerlandtourismus. Die Liste ist bestimmt nicht vollzählig. Ja, was ist eigentlich mit dem? Was hat der Zusammenschluss für den Märkischen Kreis wirklich gebracht? Es macht niemand Urlaub im Land zwischen Ruhr und Volme wie im Hochsauerland.
170.000 Euro für Gutachten
Während der Kreis in den vergangenen Jahren viel Geld – alleine fast 170.000 Euro für Gutachten – ausgegeben hat, gehen andere Kreise in Südwestfalen den entgegengesetzten Weg. Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist nach Kreistagsbeschluss unlängst aus der Förderung der Tourismusregion Siegen-Wittgenstein ausgestiegen. Kein Geld mehr. Wie man hört, habe sich der Sauerland-Tourismus gegen eine gemeinsame Dachmarke gesperrt. Und die Aufteilung der Marken „Sauerland für Tourismus“, „Südwestfalen für die Wirtschaft“ hat den Prozess sicher nicht gefördert. Den Kommunen im Märkischen Kreis steht finanziell das Wasser Oberkante Unterlippe. Haushaltssicherung, Haushaltssperre – das sind die Vorgaben aktuell.
Ein „schlummernder Riese?“
Touristisch sei der Märkische Kreis ein „kleiner schlummernder Riese“ habe der Gutachter gesagt. Im Sauerland blickt man in der Tat neidisch auf unsere vielen kulturellen Einrichtungen und Museen. Das ist unser Pfund, um Tagestouristen zu locken – mehr aber auch nicht. Dennoch sollte man die touristischen Aktivitäten nicht gänzlich einstampfen. Denn eines bringen sie auf jeden Fall: eine Verbesserung für die Menschen an Lenne und Volme, für die eigene Bevölkerung. Die kennen ihre Spazier- und Wanderwege an der Nordhelle, rund um die Luisenhütte oder den Danzturm – die brauchen keine aufwändigen Prospekte, Internet-Auftritte und Messebeteiligungen. Das können die Städte und Gemeinden auch selber.
Schulen und Kitas wichtiger als Wanderwege
Dass die Bürgermeister die neue Tourismusstrategie jetzt erst einmal gestoppt haben, ist richtig. Sie haben mit maroden Schulgebäuden, zerfallende Infrastruktur, fehlenden KiTa-Plätzen und die Unterbringung Geflüchteter derzeit genug zu tun. Und das alles sind Pflichtaufgaben – die Tourismusförderung ist eine rein freiwillige Leistung.
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