Saniert der Märkische Kreis seinen Haushalt auf Kosten seiner 15 kreisangehörigen Städte und Gemeinden? Das jedenfalls glauben die Bürgermeisterin und Bürgermeister sowie Stadtkämmerer in den Rathäusern zwischen Ruhr und Ebbegebirge.
In einem dramatischen Brief an Landrat Marco Voge zur sogenannten „Benehmensherstellung“ im Zusammenhang mit der Festsetzung der Kreisumlage drücken sie ihre Sorgen und Nöte deutlich aus. Das Schreiben, das der Redaktion vorliegt, wurde im Vorfeld der Haushaltseinbringung den Kreistagsabgeordneten zur Kenntnis gegeben.
Ausgleichsrücklage soll komplett eingesetzt werden
Der diesmal von Mendens Bürgermeister Dr. Roland Schröder im Auftrag seiner Amtskollegin und Amtskollegen verfasste Brief stellt die Benehmensherstellung nur für den Fall in Aussicht, wenn „…die Festsetzung der Kreisumlage in der Haushaltssatzung die vollständige Verwendung der Ausgleichsrücklage innerhalb der Haushaltsplanung für das Jahr 2024 zur Reduzierung der Umlagebedarfs eingesetzt wird.
Es reicht nicht aus, lediglich die Verbesserungen aus dem voraussichtlichen Jahresergebnis 2022 umlagemindernd einzusetzen.“ Heißt übersetzt: Der Kreis soll erst einmal sein „Sparguthaben“ einsetzen.

778,4 Millionen Euro Ausgaben
Landrat und Kämmerer, die den Haushalt mit ihren Etatreden im Kreistag in die politische Debatte einbringen, hatten den städtischen Schatzmeistern im Vorfeld die Eckdaten zum 2024er Etat des Kreises übermittelt. Für das nächste Jahr plant der Kreis Ausgaben in Höhe von 778,4 Millionen Euro, rechnet aber nur mit Erträgen von 763,3 Millionen Euro.
Das bedeutet ein planerisches Defizit in Höhe von 14,1 Millionen Euro. „Unter Berücksichtigung des Finanzergebnisses ist somit ein Jahresfehlbetrag von circa 19 Millionen Euro geplant“, so die Bürgermeister. Auch unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entnahme aus der Ausgleichsrücklage ergebe sich die Mehrbelastung für die Kreisangehörigen Städte und Gemeinden von mehr als 49 Millionen Euro – eine Steigerung des Umlagebedarfs um 16,5 Prozent.
59 Millionen Euro Kreisumlage zu viel gezahlt
Die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Kommunen könne da nicht Schritt halten mit der Entwicklung der umlagefinanzierten Kosten, die die eigene Steigerung der Steuerkraft vollständig aufzehre und deren Finanzierung die Kommunen inzwischen vollkommen überfordere.
Die Hauptgemeindebeamten werfen dem Kreis in ihrer Stellungnahme vor: „Mit dem im Schreiben zu den Eckdaten des Haushalts angekündigten vorläufigen Jahresergebnis von 15 Millionen Euro Überschuss für das Jahr 2022 erhöht sich die Ausgleichsrücklage auf ca. 59 Millionen Euro. Somit haben die kreisangehörigen Kommunen seit dem Jahr 2015 insgesamt 59 Millionen Euro Guthaben angespart, die über die zu viel bezahlte Kreisumlage in die Ausgleichsrücklage des Kreises geflossen sind. Dieses Guthaben benötigen die kreisangehörigen Kommunen dringend, um die Belastungen, die insgesamt in dem Jahr 2024 und mittelfristig abfedern zu können, ohne aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Haushaltslage ins Nothaushaltsrecht oder in die Vergeblichkeitsfalle der Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung abzurutschen.“
Märkische Kliniken, MVG und MVA
Die Bürgermeister und Kämmerer führen den Investitionsbedarf von mindestens 153 Millionen Euro bei den Märkischen Kliniken an, stellen die Frage, wie sich das mittelfristig auf den Kreishaushalt auswirke. Sie regen mit Blick auf die anstehende Elektrifizierung der MVG-Flotte an, Investitionsbedarfe haushaltsverträglich zu strecken und den Fokus auf einen Konsolidierungskurs der MVG zu setzen.
Nicht zuletzt befürchten sie drohende mittelfristige hebesatzrelevante Belastungen des Kreishaushaltes in Bezug auf den Fortbetrieb der Müllverbrennungsanlage Iserlohn und bitten um Mitteilung, die strategische Ausrichtung des Fortbetriebs der MVA offen zu legen.
Kreis soll dauerhaften Schaden von Kommunen abwenden
Fazit der Bürgermeister: „Die gegenwärtige Situation der Haushalte der kreisangehörigen Kommunen ist geprägt von einer beispiellosen Herausforderung, die noch nie zuvor in der jüngeren Geschichte zu einer massiven Veränderung der in der mittelfristigen Planung für das Haushaltsjahr 2024 ursprünglich angenommenen Entwicklungen zu den tatsächlich zu erwartenden und in der aktuellen Haushaltsplanung einzuarbeitenden Entwicklungen führen.“ Die Städte und Gemeinden hätten nicht die Möglichkeit wie der Kreis, im Rahmen eines Durchgriffs in die nächst folgende Ebene per Umlageerhöhung die Refinanzierung dieser Entwicklung zu organisieren. „Wir halten es für unabdingbar, dass der Märkische Kreis diese Entwicklung aufgreift, um dauerhaften Schaden von seinen kreisangehörigen Kommunen abzuwenden.“