Herr Schönenberg, was gefällt Ihnen persönlich in Schalksmühle am besten – und warum?
Jörg Schönenberg: Wenn man in einem Ort wie Schalksmühle wohnt, man verwurzelt ist, dann schaut man sich natürlich zunächst einmal das Miteinander an. Wir hatten in diesem Jahr viele Probleme. Ich denke beispielsweise an den Ukraine-Krieg. Hier kommt das Ehrenamt zum Tragen. Wir haben eine sehr innovative und anpackende Flüchtlingsinitiative, die sich um die Menschen bemüht. Wir als Verwaltung kommen unseren Pflichten zwar nach – aber dieses zwischenmenschliche Miteinander ist eben unbezahlbar. Nehmen wir unsere Freiwillige Feuerwehr: Wir hatten in diesem Jahr sehr viele Brände. Die ehrenamtliche Feuerwehr ist ein ganz wichtiger Baustein, der gut funktioniert. Das gilt auch für das Deutsche Rote Kreuz. Ich könnte an dieser Stelle auch noch viele andere gemeinnützige Vereine beziehungsweise Organisationen nennen. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Miteinander und insbesondere das Engagement in so einer Gemeinde, Menschen zu helfen und andere zu unterstützen, das macht ein Kommunalwesen aus. Es macht mich daher stolz, Bürgermeister einer solchen Kommune zu sein.
Hinter uns liegt ein bewegtes, von ungewöhnlich vielen Krisen geprägtes Jahr. Sie haben bereits den Ukraine-Krieg erwähnt. Welche Themen haben Sie noch bewegt?
Der Fachkräftemangel bei Erzieherinnen und Erziehern und zu wenig Lehrpersonal in unseren Schulen ist mehr als auffällig. Wir wünschen uns alle, dass Schulen ausreichend Personal haben und unsere Kinder von Fachkräften in Kita-Einrichtungen betreut werden. Unsere Systeme sind schon heute nicht in der Lage, ihren Aufgaben hinreichend nachkommen zu können. Und leider gibt es noch andere Probleme: Zum Beispiel die durch den Krieg bedingte Energiekrise, die alle Haushalte betrifft und viele Ängste mit sich bringt. Man merkt natürlich, dass in der Öffentlichkeit eine große Unruhe herrscht. Es geht hier nicht nur um einfache Krisen, sondern teilweise auch um Existenzen und letztendlich um unsere Wirtschaftskraft in Südwestfalen. Ich denke schon, dass wir an einem gewissen Wendepunkt sind und das wir alle Kräfte bündeln müssen als Region – nicht nur als Gemeinde Schalksmühle -, um die Krisen zu bewältigen. Es ist fast wie eine Kettenreaktion, die wir im Moment haben. Ich mache das an einem Beispiel fest: Wir haben im Bauamt eine Technikerstelle ausgeschrieben und keine Bewerbung erhalten. In Dahlerbrück ist eine wunderbare Kita für einen Millionenbetrag umgebaut und wir haben erst im zweiten Anlauf die freien Stellen für Erzieherinnen beziehungsweise Erzieher besetzen können. Die Region leidet schon sehr. Die Schwächeren sind viel stärker von den Krisen betroffen. Deswegen müssen wir gesellschaftlich darauf achten, den Schwächeren zu helfen. Im Interesse des Zusammenhaltens unserer Gesellschaft ist diese Unterstützung dringend geboten.
Ein Thema bewegt die Region wie kaum ein anderes: Die Sperrung der Rahmedetalbrücke. Sie haben sich gegen das kommende Lkw-Verbot ausgesprochen – warum?
Das ist ganz einfach: Ein Lkw-Verbot nur von A nach B hilft der Region nicht weiter. Wir haben letztendlich überall Verstopfungen. Die B54 ist eine Bundesstraße, die an vielen Stellen nicht breit genug ist. Da können kaum Radfahrer fahren. Wir haben eine B54, die von den Hochwasser- und Starkregenereignissen noch schwer betroffen ist. Wir werden weitere Baustellen kriegen und somit mehr Verkehrsbeschränkungen. Und dann frage ich mich natürlich allen ernstes, warum wir im Grunde genommen noch eine weitere Lebensader dichtmachen wollen. Ein weiträumiges Lkw-Verbot halte ich für sinnvoller.
Ich bin ehemaliger Leiter des Ordnungsamt. Normalerweise habe ich vorher Zahlen, Untersuchungen, Messungen durchgeführt, bevor ich so gravierende Entscheidungen treffe. Denn: Entscheidungen, die eine solche Dimension haben, müssen rechtlich sauber sein. Von daher wehre ich mich dagegen, einfach nur aus dem Bauch heraus, „Schnellschüsse“ zu machen.
Wie könnte man das Problem stattdessen angehen? Mit einem Verkehrsgutachten?
Der erste Schritt wäre, Verkehrszählungen zu machen, um zu wissen, wie die Verkehrsströme sind. Der zweite Schritt wären Messungen, um zu sehen, wo und wie die Belastungen sind. Dann muss man natürlich weiterschauen, wie man die Verkehrsflüsse vernünftig lenkt. Dazu zählt auch ein Baustellenmanagement, damit auch alle Einflüsse für eine sachgerechte Entscheidung berücksichtigt sind. Ich erwarte einfach, dass diese Dinge nachvollziehbare Maßnahmen mit sich bringen. Dass irgendwann eine Entscheidung kommt, die mir eventuell nicht passt, ist mir bewusst. Da muss ich und kann ich dann mit leben. Aber nur, wenn vorher sauber gearbeitet wurde und rechtlich nachvollziehbare Entscheidungen getroffen worden sind. Das erwartet auch jede Bürgerin und jeder Bürger zurecht von seiner Verwaltung.
Das Thema „Klimaschutz“ ist eine große, zu bewältigende Herausforderung. Bei welchem Umsetzungsziel ist die Gemeinde Schalksmühle schon gut dabei? Wo gibt es noch Aufholbedarf?
Der Klimaschutz ist durch die Krisen ein wenig in den Hintergrund geraten – und das zu unrecht. Mein Ziel ist es unter anderem, mit dem Energieversorger enger vor Ort zusammen zu arbeiten. Auch die Bürgerschaft kann beim Klimaschutz eingebunden werden, beispielsweise bei der Windkraft. Wir versuchen zurzeit, in punkto Photovoltaik und in der Nähe der Autobahn eine Lösung zu finden. Nicht jeder Bürger wird dieses Thema begrüßen, aber wir müssen auf allen Ebenen Tempo machen – der Wald ist hierbei genauso ein Thema. Ich hoffe mit unserem Klimaschutzbeauftragten, dass wir in 2023 ein Stück weiter kommen. Wir haben schon Projekte am Laufen, wie das Projekt „Kern“. Aber der ganz große Wurf, fehlt sicherlich. Dafür müssen wir in Schalksmühle noch einiges tun. Das bedeutet für mich: Windenergie fördern und Photovoltaik verstärkt fördern. Wir haben schon ein paar Anlagen, aber noch nicht in ausreichender Anzahl. Ich wünsche mir auch, dass wir als Kommune die Potenziale der Windkraft für unsere Bürgerschaft besser nutzen.
Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 war ein unerwartetes Ereignis. Die Schäden sind teilweise heute noch sichtbar. Wie kann sich Schalksmühle vor eventuell zukünftigen Unwetterkatastrophen schützen?
Der Märkische Kreis ist gerade dabei, eine Karte für die Auswirkungen von Starkregenereignissen aufzustellen, die nicht nur die Flüsse, sondern auch alle Bäche und sonstige Wasserabflüsse erfasst. Daraus wird sich ein Maßnahmenkatalog erschließen. Dann haben wir eine vernünftige Grundlage. Aber: Es reicht nicht aus, wenn wir das alleine machen. Es müssen letztendlich alle mitwirken. Es geht letztendlich nicht nur um die Volme. Wir müssen als Märkischer Kreis über den Tellerrand gucken und kooperieren. Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr aufgrund des erstellten Kartenmaterials Ergebnisse präsentieren können, die letztendlich unser künftiges Handeln bestimmen werden.
Das geplante Ärztehaus ist umstritten, die Bürger haben auf der Informationsveranstaltung Bedenken bezüglich des Ortskerns geäußert. Hat das Vorhaben – mit Blick auf die Zukunft – dennoch eine Chance?
Ich sehe die Situation zweigeteilt. Es wurde viel Stimmung gemacht. Das hat mich zugegebenermaßen ein wenig geärgert. Aber daraus zu schließen, dass die Mehrheit von Schalksmühle gegen das geplante Ärztehaus ist, bezweifle ich. Natürlich hätten wir das Ärztehaus lieber im Ortskern gehabt. Aber es geht einfach nicht. 300 Quadratmeter an freistehender Fläche stehen im Ortskern nicht zur Verfügung. Schalksmühle hat leider einen sehr beengten Ortskern. Wenn das Projekt nicht umgesetzt wird und scheitert, dann müssen wir auch mit den Konsequenzen leben können. Ich würde es in meiner Amtszeit als eine ganz große persönliche Enttäuschung sehen, wenn das Projekt scheitert. Aber den Kopf in den Sand zu stecken darf ein Bürgermeister natürlich nicht.
Was hat sich trotz aller Krisen positiv in Schalksmühle entwickelt?
Wir haben über einige Krisen gesprochen. Es sind aber auch viele schöne Dinge in Schalksmühle passiert. In der Sporthalle Löh wurden zum Beispiel der Sanitärbereich und die Umkleideräume saniert. Die Kita Dahlerbrück wurde komplett renoviert – es war ein Millionenprojekt, das nun fertiggestellt ist. Wir haben auch trotz aller Krisen keine finanziellen Kürzungen vorgenommen. Die Vereine wurden uneingeschränkt unterstützt. Trotz aller Krisen ist es wichtig, das normale Leben – also den Alltag – nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Jahreswechsel steht kurz bevor: Welche Ziele verfolgen Sie für das Jahr 2023?
Der geplante Haushalt 2023 führt zu einem Defizit von drei Millionen Euro. Das ist aufgrund unserer Ausgleichsrücklage verkraftbar. Wir leisten uns im kommenden Jahr auch einige Investitionen. Wir kaufen ein Löschfahrzeug für die Einheit der Löschgruppe Hülscheid. Das kostet rund 445.000 Euro. 100.000 Euro geben wir für Planungskosten für den notwenigen Umbau des Feuerwehrgerätehauses Spormecke aus. Wir planen außerdem den OGS-Betrieb in der Schule Spormecke auszubauen, auch hier fallen zunächst rund 290.000 Euro an. In den Anbau der Kita-Wansbeckplatz investieren wir 800.000 Euro. Für Straßendeckenerneuerungen planen wir Investitionen von rund 700.000 Euro; der Geh- und Radweg Kuhlenhagen ist mit 320.000 Euro veranschlagt. Für die Aufwertung des Ortskerns sind 200.000 Euro eingeplant, und zwar für den Aufzug. Dies sind Beispiele dafür, dass die Gemeinde in die Infrastruktur wieder erhebliche Geldbeträge in die Hand nimmt. Steuererhöhungen sind nicht geplant, das ist in Krisenzeiten nicht sinnvoll. Letztendlich trifft der Rat der Gemeinde Schalksmühle die endgültige Entscheidung über den Haushalt 2023 im März nächsten Jahres.
Wir bedanken uns für das Gespräch.