Aufgeweichter Boden, usseliges Wetter draußen. Drinnen Wärme und der Duft vom frischen Brot. Brot aus dem Backes. Das gehört dazu, wenn die Hardenberger feiern wie zuletzt beim dörflichen Weihnachtsmarkt. Brot aus dem Backhaus von Markus Hoppe gehörte wieder dazu.
Ein Backes gab es früher in fast jedem Dorf. Die Öfen wurden mit Holz aufgeheizt. Dann wurden Glut und Asche entfernt. Mit der im Stein gespeicherten Energie wurde gebacken. „Regelmäßige Backtage der Gemeindemitglieder sparten den Bäcker, den eigenen Ofen und Energie“, heißt es in der Online-Lexikon Wikipedia. Den Teig brachte jeder selbst mit. Der Vorteil: der Ofen musste nur einmal aufgeheizt werden, und alle konnten ihn nutzen – Nachhaltigkeit pur. Seit den 1960er-Jahren wurden viele der Backhäuser abgerissen. Inzwischen besinnt man sich wieder auf diese Technik.
Wie Markus Hoppe. Er hat in Hardenberg einen Ofen mit zwei Kammern selbst konstruiert. „Das ist schon ein anderes Aroma, eine andere Kruste. Es hat etwas, wenn das fertige Ergebnis rauskommt“, schwärmt er vom Brot aus dem Steinbackofen. Erfahrung mit der Technik hatte er vorher schon gesammelt. Aus der Dorfgemeinschaft bekam Hoppe den Tipp, eine Förderung aus dem Leader-Programm zu beantragen – kleiner Dienstweg im Dorf, man ist gut vernetzt. So stehen die Hardenberger bei Backtagen fürs Brot auch schon mal an. „Wir kennen uns, alles nette Leute“, sagt Hoppe. Zwölf Jahre muss sein Backes öffentlich zugänglich sein – wegen der Fördermittel. „Schön, dass wir den Backes im Dorf haben. Das ist etwas Besonderes“, findet Nachbarin Astrid Dobrindt. Neben dem leckeren Brot schätzt sie auch die Gemeinschaft, die sich am Backes versammelt: „Fast alle waren da. Eine Bereicherung für die Dorfgemeinschaft.“
Ähnlich lief es am Heed in Meinerzhagen ab. Den Backes haben die Dorfbewohner in einer Gemeinschaftsaktion gebaut. Damit lebte eine Tradition wieder auf, die früher in den vielen Dörfern Usus war: gemeinsam Brot zu backen. Die Teige bringen die Dorfbewohner mit.
In Hardenberg lassen sie lieber Hoppe backen und entrichten einen Obolus fürs Brot. Da der Ofen zwei Kammern hat, kann auch größere Nachfrage bedient werden. Die Glut aus der einen Kammer kann für die andere genutzt werden, während in der ersten noch gebacken wird. „Man muss nicht aufwändig wieder aufheizen“, sieht Markus Hoppe Vorteile in der Eigenkonstruktion. Zwei Heiratskandidaten haben den Ofen als Location entdeckt und dort ihren Junggesellen-Abschied gefeiert. „Schön, dass er so genutzt wird“, freut sich Hoppe. Als Vorteil sieht er an, dass der Steinofen am Haus direkt im Ort steht. „Da muss man nicht erst hinrennen.“ Mit einem Thermometer fremdelt er. „Das ist nur eine optische Sache, zum Backen bringt das nichts“, macht er klar. Denn: Jeder Ofen ist anders. Erfahrung ist ein guter Ratgeber.
Leader-Förderung für Kleinprojekte
Als „sehr schöne Gemeinschaftsaktion“ sieht auch Leader-Managerin Friederike Bönnen das Projekt in Hardenberg. „Ein klassisches Kleinprojekt“, umreißt sie die Fördermöglichkeiten. Bis zu 80 Prozent der Kosten können aus dem Leader-Programm bezuschusst werden. Wichtig ist dabei: Die Projekte müssen öffentlich zugänglich sein und dürfen „kein Privatvergnügen für den Garten sein“.
Sie sollten innovativ und neu für die Gemeinschaft sein. Beim Backhaus sieht sie den Gemeinsinn als entscheidend an und verweist auf bestehende Backstellen in Kierspe. So wird die Rhader Mühle vom Heimatverein Kierspe für Backtage genutzt. Privat betrieben werde zudem ein kleiner Backes in Vorderste Vornberg.

Im Zuge des Leader-Projektes „Südwestfalens blühende Vielfalt erhalten“ entstand im Oktober 2019 an der Primusschule Schalksmühle die Idee, das neben der Obstwiese gelegene Backes zu reaktivieren. Mit dabei: das Naturschutzzentrum Märkischer Kreis. Das Holz vom Baumschnitt der Streuobstwiese dient als Brennstoff. Dabei sollte die Restwärme des Ofens auch zum Dörren von Obst verwendet werden, eine tradierte Technik, Lebensmittel zu konservieren.
Hilfestellung bei der Wiederbelebung des Backhauses leistete Leo Trumm aus Drolshagen. Der Pädagoge und Bäckermeister hatte bis 2016 die Bäckereifachschule in Olpe geleitet. Er gilt als „Holzofenpapst“ und sieht in der Verbindung des Backofens mit der Streuobstwiese „ein Muster an Nachhaltigkeit“.
„Wertschätzung für Brot ist gestiegen“
Für den „Holzofenpapst“ sind Neubau oder Reaktivierung der Backhäuser ein Zeichen, dass Tradition wieder auflebt. Die Menschen besinnen sich auf Vertrautes und versuchen ein „Stück vergangener Kultur zu retten“. Trumm hatte schon vor 20 Jahren an der Bäckereifachschule einen Arbeitskreis für Holzbacköfen eingerichtet. „Das schlug Wellen bis in die Eifel und nach Sachsen“, erzählt er. Im Siegerland würden inzwischen wieder rund 30 öffentliche Backstellen genutzt. Die Strahlungshitze des Natursteins im Ofen bringe bessere Ergebnisse als Metall- oder Kunststein-Backöfen, sieht er Vorteile der tradierten Technik.

Bäcker und Verbraucher seien sensibler geworden. „Die Wertschätzung für Brot ist gestiegen“, meint er. Der Holzbackofen wird so zum Multitalent: Er liefert besondere Geschmackserlebnisse, ist nachhaltig, dient der Kulturpflege und fördert Gemeinschaftserlebnisse. Trumm erinnert sich an einen seiner Schüler. Dem Dorfbäcker machte ein Filialist als neuer Konkurrent das Leben schwer. Der örtliche Bäcker reagierte und baute für sich einen Holzbackofen, bot so mit seinem Brot etwas Besonderes – und sicherte damit seine Existenz.