144 dieser Kinder und Jugendlichen waren unbegleitete Minderjährige mit Migrationshintergrund (UMA). Das teilt der Märkische Kreis auf Nachfrage mit. Das Kreisjugendamt ist zuständig für die acht kleineren Städte und Gemeinden ohne eigenes Jugendamt – die übrigen sieben haben jeweils eigene Behörden.
„Im Hinblick auf den Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes gibt es ebenfalls eine Steigerung von 43 auf 77 Inobhutnahmen. Die Zunahme der Inobhutnahmen ergibt sich primär durch Kinder und Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland eingereist sind“, erklärt Kreissprecher Alexander Bange.Der Anstieg beträgt stattliche 44,15 Prozent.
Anzahl wird weiter zunehmen
Wie die Fachbereichsleiterin Jugend und Bildung des Kreises, Iris Beckmann-Klatt, in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses mitteilte, sei davon auszugehen, dass die Anzahl der unbegleiteten jugendlichen Ausländer weiter steigt. Für die Heimunterbringung hatte der im vergangenen Jahr 6,5 Millionen Euro im Etat – für dieses Jahr wurde die Summe auf 8,25 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt.
Seit dem 1. November 2015 unterliegen ausländische Minderjährige, die ohne Erziehungs- oder Personensorgeberechtigte nach Deutschland einreisen, einem bundes- und landesweiten Verteilungsverfahren. Ein Großteil der UMA kommen laut Bange in den größeren Städten an – etwa in Bochum – und wird anhand eines Verteilschlüssels auf die einzelnen Jugendamtsbezirke verteilt. Bange weiter: „In diesem Zusammenhang wurden auch einige UMA dem Jugendamt des Märkischen Kreises zugewiesen.“
Zeitweise Unterbringung in der Jugendbildungsstätte
Beim Kreisjugendamt habe die adäquate Versorgung der Kinder und Jugendlichen zu einem hohen Arbeitsaufwand geführt. Zuständig sei der Regionale Sozialen Dienst (RSD). „Die Durchführung von Inobhutnahmen ist nur eine Teilaufgabe des RSD und verteilt sich auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichermaßen. Die Bearbeitungszeit variiert je Fall. Spezielle Brückenlösungen zur Unterbringung der Betroffenen wurden geschaffen.“ Vier Jugendliche – einer aus der Türkei und drei aus Afghanistan – waren beispielsweise in der Jugendbildungsstätte des Kreises an der Sedanstraße in Lüdenscheid untergebracht. Dort sind zwei Doppelzimmer hergerichtet worden, um Jugendliche zeitweise aufnehmen zu können. Sie werden dort auch betreut und verpflegt.
Neben der unbegleiteten Einreise ist die Überforderung der Eltern respektive eines Elternteils oft Ursache für eine Inobhutnahme. Bange: „Ein Zusammenhang im Kontext von Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie kann nicht ausgeschlossen werden. Aufgenommene Kinder und Jugendliche werden je nach Alter in unterschiedlichen Einrichtungen oder privat untergebracht. Kinder werden bei speziell geschulten Bereitschaftspflegepersonen in einem kleinen familienähnlichen Umfeld einquartiert. Jugendliche werden etwa in spezielle Schutzstellen für Jugendliche gebracht.“
Anschließend werde schnellstmöglich unter Beteiligung der Eltern geklärt, ob die veranlasste Maßnahme fortgeführt, die Jugendlichen und Kinder eventuell in eine andere stationäre Einrichtung übergeleitet werden müssen oder vielleicht sogar wieder zurück zu den Eltern nach Hause können.
Kosten 6.000 Euro pro Monat und Fall
Die Kosten für eine stationäre Unterbringung belaufen sich laut Auskunft des Märkischen Kreises auf rund 6.000 Euro pro Fall und Monat. Die Kosten für die Unterbringung der UMA sind erstattungsfähig.
Insgesamt haben die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr 35,7 Prozent mehr vorläufige Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche als im Jahr zuvor ergriffen. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilt, stieg die Zahl der Inobhutnahmen auf 16.546 (2021: 12.193). Das waren allerdings 25,4 Prozent weniger als im Jahr 2016 (damals: 22.193). Vorläufige Schutzmaßnahmen werden vom Jugendamt durchgeführt, wenn ein unmittelbares Handeln zum Schutz von Minderjährigen in Eil- und Notfällen als geboten erscheint.
6.529 Minderjährige in NRW in Betreuung untergebracht
Im vergangenen Jahr wurden in 6.529 Fällen Minderjährige infolge einer begleiteten Einreise aus dem Ausland in Obhut genommen. Das waren 162,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (2021: 2.490). Der Anstieg der Gesamtzahl der Schutzmaßnahmen ist in erster Linie hierdurch begründet. Die Zahl der Inobhutnahmen infolge einer unbegleiteten Einreise einer minderjährigen Person aus dem Ausland war im Jahr 2022 jedoch um 43 Prozent niedriger als im Jahr 2016 (damals: 11.448).
64,8 Prozent der im vergangenen Jahr in NRW unter den Schutz des Jugendamtes gestellten Minderjährigen waren 14 Jahre oder älter (10.724); 35,2 Prozent (5.822) der Kinder waren noch keine 14 Jahre alt. 66,7 Prozent der in Obhut genommenen Minderjährigen hatten einen Migrationshintergrund (11.044). 11.986 Minderjährige wurden in einer Einrichtung untergebracht (72,4 Prozent), 3.257 lebten bei Pflegeeltern (19,7 Prozent) und 1.303 in einer sonstigen betreuten Wohnform (7,9 Prozent).
