Am Morgen liegt ein feiner Tau über dem Wald, als hätte jemand glitzernden Zucker über Moos und Wurzelwerk gestreut. Zwischen den kahlen Bäumen klingt Kinderlachen, hell und klar wie kleine Weihnachtsglöckchen. Für die Kinder des Waldkindergartens ist diese Zeit die schönste des ganzen Jahres – voller Geheimnisse, Düfte, Geschmäcker und einer Magie, die Erwachsene oft nur noch erahnen. LokalDirekt hat sie in den letzten Adventstagen besucht. Und schnell wird klar: Für die kleinen Waldentdecker ist Weihnachten nichts, das man mit Terminkalendern, Einkaufslisten oder Stauprognosen verbindet. Weihnachten ist ein Gefühl, ein Leuchten, ein Abenteuer.

Im Schutzraum des Waldkindergartens steht ein unscheinbares Holzregal. Doch für die Kinder ist es viel mehr: ihr Tor in eine andere Welt. Dort wohnt Tilda – die Wichtelin, die in der Adventszeit eingezogen ist. Ein winziges Haus, eine Tür, ein paar liebevolle Details. Und jeden Tag ein neuer Brief.

Gemeinsam werden Weihnachtslieder gesungen.
Foto: Machelett

„Jeden Morgen rennen wir sofort zu Tilda!“, erzählt Marijke und grinst. „Einmal war überall Mehl. Tilda hat gebacken. Und wir haben dann auch gebacken. Der ganze Boden war weiß!“ Sie breitet ihre Arme aus, als wolle sie den Mehlstaub noch einmal fühlen. Die anderen nicken eifrig.

Auch Erzieherin Katja Grauel lächelt. „Tilda hilft uns durch den Adventsalltag. Sie hat jede Menge Ideen, was die Kinder machen können. Zum Beispiel Tannenzapfen im Wald sammeln, daraus Weihnachtsdeko basteln oder sich auf eine Wichtelspurensuche begeben. Die Kinder sind jeden Morgen voller Vorfreude.“

Und tatsächlich: Schon bevor die Frühstücksdosen geöffnet werden, werfen die kleinen Weihnachtsfans neugierig einen Blick ins Wichtelregal. Hat Tilda etwas geschrieben? Hat sie vielleicht wieder ein winziges Backblech hinterlassen? Oder eine Spur aus Glitzerstaub

Weihnachten mit allen Sinnen

Doch wie ist das eigentlich, wenn man Weihnachten so erlebt wie die Kinder? Wenn jeder Duft eine Geschichte erzählt und jeder Geschmack eine Erinnerung weckt? „Kann man Weihnachten schmecken?“, fragt LokalDirekt-Redakteurin Lydia Machelett. „Ja!“, rufen die Kinder im Chor, als hätten sie lange auf genau diese Frage gewartet.

Malea findet als Erste die Worte. Sie schließt kurz die Augen, als koste sie etwas Unsichtbares. „Hm, also… Weihnachten ist auf jeden Fall lecker. Und ich glaube, etwas sauer.“ Sie öffnet die Augen. „Ne, doch nicht. Es ist süß, wie Kekse! Und es riecht nach Tannenzweigen." Aber schmecken die Kekse dann nach Tannenzweigen? Malea schüttelt entschlossen den Kopf. „Nein! Tannenzweigenduft mit Keksgeschmack – so ist Weihnachten.“

Für die Weihnachtsgeschichte haben die Kinder einen Stall und Holzpuppen gebaut.
Foto: Machelett

Rosalie hebt die Hand wie in der Schule. „Bei mir riecht Weihnachten nach Keksen“, sagt sie ernst. „Aber nicht nach solchen in einer Dose, sondern nach denen im Backofen“, ergänzt sie schnell. „Die knuspern irgendwie anders.“ Wenn sie sich einen Geschmack wünschen dürfte, dann wäre es übrigens: „Der Geschmack von süßen, roten Bonbons.“ Sie lächelt verträumt, als könnte sie ihn schon auf der Zunge spüren.

Paul hingegen hat eine klare Meinung: „Weihnachten riecht und schmeckt nach Zimt. Lecker eben.“ „Ih! Nee! Zimt schmeckt doch gar nicht!“, ruft Linea direkt zurück. Sofort beginnt eine zuckersüße, aber sehr ernst geführte Diskussion darüber, ob Zimt gut ist oder eher ganz und gar nicht.

Linea meldet sich erneut zu Wort: „Ich finde, Weihnachten riecht nach Weihnachtstee.“ Wir nicken. Klingt plausibel. „Und es schmeckt nach Nudeln mit Ketchup“, fügt sie dann an. Wirklich? „Ja! Weil das ist richtig lecker“, sagt die Vierjährige und zuckt mit den Schultern. „Und Weihnachten ist doch lecker.“

Von hinten ruft Jano: „Also ich finde eher, Weihnachten müsste nach Pfannkuchen mit Kirschen schmecken!“ Kurze Pause. „Oder nach Pfannkuchen mit Kirschen und Plätzchen!“ Aber riecht Weihnachten dann wirklich nach Pfannkuchen? Jano winkt entschlossen ab. „Nein. Pfannkuchen stinkt beim Backen.“ Also wie riecht Weihnachten dann? Er überlegt und lächelt plötzlich: „Nach Mama. Und nach Plätzchen. Das riecht gut.“

Im Laufe des Morgens sammeln die Kinder Zapfen, besprechen Wichteltheorien, erzählen vom Plätzchenbacken und davon, dass Lichterketten eigentlich kleine Sterne seien, „die jemand gefangen hat“. Der Wald wirkt wie ein riesiges Adventskalenderfenster – und die Kinder öffnen es mit jedem Schritt ein Stückchen weiter.

Für uns Erwachsene ist dieser Morgen eine Einladung: Weihnachten wieder mit den Augen, Nasen, Ohren und Herzen zu erleben, die wir einmal hatten. Ohne Eile. Ohne Erwartungen. Dafür mit einer ordentlichen Portion Wichtelmagie. Vielleicht ist das das größte Geschenk dieses Waldkindergarten-Weihnachtszaubers: Die Erinnerung daran, dass Weihnachten am intensivsten leuchtet, wenn man es einfach zulässt.