Es ist ein kalter Nachmittag, als sich die Tür zum Lutherhaus der evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Mark öffnet. Drinnen riecht es nach Papier, Filzstiften und ein bisschen nach Vorfreude. Zum ersten Mal treffen sich die Kinder für das diesjährige Krippenspiel. Fünf Wochen liegen vor ihnen – und am Ende wartet der große Auftritt beim Krippenspiel am Heiligabend. Mittendrin: Marla (8), Marlene (7) und Luise (4) aus Wiblingwerde.

Die Spannung ist sofort spürbar. Wer bekommt welche Rolle? Und worum wird es in diesem Jahr überhaupt gehen? Gemeindepädagogin Annedore Weidlich leitet erstmals die Proben. Sie hat das Stück ausgewählt und begrüßt die aufgeregten Kinder mit ruhiger Stimme und einem Lächeln. Für Marlene und Marla ist vieles vertraut. Sie sind „alte Hasen“. Marlene war schon zweimal dabei. „Einmal war ich ein Engel und einmal ein Schaf“, erzählt sie stolz. Marla nickt. „Letztes Jahr war ich auch ein Schaf.“

Bei der Anmeldung konnten die Kinder angeben, wie viel Text sie sprechen möchten. Luise war sich sicher: gar keinen. Und trotzdem will sie unbedingt mitmachen. Kein Problem. Sie wird ein Engel, der einfach mitläuft. Luise strahlt. „Ein Engel wollte ich auch sein.“ Auch Marlene und Marla werden Engel. Doch dann der Moment, in dem Marla kurz schluckt: Sie ist der erste Engel – mit einer Hauptrolle. „So viel Text?“ Die Aufregung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Aber auch der Stolz.

Marlene dagegen ist zufrieden. Sie hat weniger Text, genau so, wie sie es sich gewünscht hat. "Dann kann ich wieder ein schönes Kleid anziehen“, freut sie sich. „Und Flügel“, ergänzt Luise strahlend.

Gemeinsam werden die Texte gelesen. Einige Kinder fühlen sich mit ihren Rollen noch nicht wohl, es wird noch einmal getauscht. „Es ist immer schwer im Vorfeld zu sagen, was zu wem passt. Ich kenne die Kinder ja gar nicht alle“, erklärt Annedore Weidlich.

Ein Ohrwurm für Schauspieler und Eltern

Zum Abschluss des Treffens gibt es Hausaufgaben: Ein Link mit dem Lied „Weihnachten ist Party für Jesus“ wird verschickt. Das sollen die Kinder zu Hause üben. Zuhause sind nun die Eltern gefragt. Der Kreativ-Tonie wird sofort mit dem Lied ausgestattet. Allen ist klar: Ab jetzt läuft es hoch und runter. Das Problem: Das Lied ist ein echter Ohrwurm. Fünf Wochen lang. Jeden Tag. Schon morgens. Der Text sitzt schnell. Ein paar Mal gelesen – und schon klappt es.

Bei den ersten Proben dürfen die Kinder ihre Texte noch ablesen. Ab der nächsten Woche sollen sie auswendig sitzen. Marla und Marlene sind vorbereitet, sie können ihre Texte bereits. Luise ist noch nicht dabei. Sie wird erst kurz vor Weihnachten zu den Proben kommen – sie hat ja keinen Text.

Während einige Kinder proben, malen andere. Denn auch das Bühnenbild entsteht in Kinderhand. Wimpel werden bunt gestaltet. Schließlich geht es in diesem Jahr um einen Geburtstag – und was wäre ein Geburtstag ohne Girlande? Im Lauf der Wochen wächst eine kunterbunte Wimpelkette heran. Darauf: Sterne, Herzen, Bilder und Wünsche für Jesus. Ein fröhlicher Schmuck für die Kirche.

Luise und Marlene freuen sich auf den großen Auftritt.
Foto: Machelett

Mit jeder Woche werden die Proben intensiver und detailreicher. Jetzt geht es nicht mehr nur um Texte und Lieder. Es geht darum, wer wo steht, wer wann auftritt und wann ein Engel einen Schritt nach vorne geht. Auch die Technik muss stimmen. Darum kümmert sich Thimo. Er macht sein Kompassjahr bei der Gemeinde, spielt Klavier für die Lieder und sorgt dafür, dass die Mikrofone aufeinander abgestimmt sind. Mal ist eines zu leise, mal zu laut – Thimo hört genau hin und regelt nach.

Unerwartete Hürden

Drei Wochen vor der Premiere wird es noch einmal turbulent. Einige Kinder fallen krankheitsbedingt kurzfristig aus. Annedore Weidlich muss umplanen, Rollen neu verteilen, Texte umschreiben. Marlene bekommt zusätzlich den Text eines anderen Engels. Sie nimmt die Herausforderung an und lernt einfach weiter. Und auch für Luise ändert sich plötzlich alles. Sie darf nun einen Satz sagen: „Und er hätte ihnen die Augen geöffnet.“ Dieser kleine Satz macht Luise stolz. Sie fühlt sich jetzt noch mehr mittendrin. „Ich muss jetzt auch zum Üben! Ich muss jetzt auch was sagen!“, ruft sie freudig.

Zwischen dem dritten und vierten Advent findet die erste Kostümprobe statt. Mit Flügeln, Kleidern und Accessoires wird alles gleich noch realistischer – und aufregender. Die Kinder wissen: Nur noch zwei Proben, dann ist es soweit. Für Marlene gibt es noch eine besondere Aufgabe. Zusammen mit Freundin Marla darf sie die Strophen des Liedes ins Mikrofon singen. "Das ist quasi wie ein Solo“, erklärt sie. Und was ist daran so schwer? „Ich muss mir den Text merken und meine Einsätze treffen.“

Zuhause wird fleißig geübt. Bei der Kostümprobe klappt es schon fast perfekt. Nur Marlas Mikrofon macht Faxen – mal ist es laut, mal leise. Marlenes funktioniert. „Da muss Thimo noch mal ran“, findet Annedore Weidlich.

Währenddessen hilft Liv im Lutherhaus. In Kleingruppen wird in der Kirche geprobt. Wer gerade nicht dran ist, malt weiter an der Wimpelkette oder übt noch einmal seinen Text. Ohne dieses Team wäre das Projekt mit 17 aufgeregten Kindern kaum zu schaffen.

Auch die Kostüme bringen neue Herausforderungen. Mit großen Flügeln in eine Kirchenbank zu kommen, ist gar nicht so einfach. Den Königen rutschen immer wieder die Sonnenbrillen von der Nase. Marlene und Marla haben damit keine Probleme. Luise hüpft vergnügt durch die Kirche. Ihre größte Herausforderung: still stehen.

Marla ist stolz auf ihre Hauptrolle.
Foto: Machelett

Die Tage sind gezählt. Dann ist er da, der große Moment. Die Kirche ist voll. Kerzen brennen, Mäntel rascheln, erwartungsvolles Murmeln liegt in der Luft. Vor dem Altar stehen die Kinder – mit Flügeln, Kostümen und klopfenden Herzen.

Marla atmet tief durch. Marlene lächelt. Luise hält ihre Flügel fest. Als das erste Lied erklingt, ist die Aufregung vergessen. Die Engel treten auf. Die Texte sitzen. Auch Luises Satz. Die Strophen klingen ins Mikrofon: „Weihnachten ist Party für Jesus.“ Fünf Wochen Proben. Fünf Wochen Ohrwurm. Fünf Wochen Vorfreude – und jetzt dieser Moment.