Interview.

Am 14. September ist die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen. In Lüdenscheid bewerben sich drei Kandidaten um das höchste Amt der Stadt - LokalDirekt sprach mit allen drei und fragte sie nach ihren Plänen, falls sie gewählt werden. Thomas Staubach, Sprecher des Gebietsverband Lennetal und Bürgermeisterkandidat der AfD Lüdenscheid traf sich mit uns am Kluser Platz für das Gespräch - wir baten ihn, einen für sich wichtigen Ort zu wählen.

LokalDirekt: Warum haben Sie sich für diesen Treffpunkt hier auf dem Spielplatz in der Oberstadt entschieden?

Thomas Staubach: Ich bin hier aufgewachsen. Lüdenscheid ist nicht ein Ort, sondern meine Heimat. Hier mit diesem Platz verbinde ich viel von meiner Kindheit und von meiner Jugend.

Warum haben Sie Interesse, Bürgermeister von Lüdenscheid zu werden? Und warum wollen Sie sich das antun?

Antun ist die richtige Frage, ja. Sie ist mit sehr viel Verantwortung verbunden. Mein Tenor ist, was zu gestalten und nicht nur zu verwalten. Die letzten Jahre haben uns ja gezeigt, wie einfach nur verwaltet wurde. Lüdenscheid war unter anderem mal eine Perle des Sauerlands. Wenn ich an die blühenden 70er, 80er, 90er denke. In den letzten 20, 25 Jahren hat Lüdenscheid einen sehr starken Abschwung erlebt.

Das ist eigentlich jetzt der Grund. Über mein politisches Engagement, davor war ich nicht politisch engagiert. Bis vor fünf Jahren, da gab es ein einschneidendes Erlebnis, und da habe ich mich dann halt dazu erschlossen: jetzt muss ich selber was tun.

Was war das einschneidende Erlebnis? Was war so der Grund, warum Sie sich für die Politik interessiert haben?

Es war die Corona-Zeit, ich bin ungeimpft und habe die massiven Grundrechtsverletzungen am eigenen Leib gespürt. Ich war jeden Samstag in Düsseldorf bei der Corona-Demo. Und habe mich auch quer informiert. Es fing damit an, dass ich asiatische und indische Kontakte habe. Und die ersten Bilder waren ja, wie die Asiaten der Reihe nach umgefallen sind. Dann habe ich mal diese Informationen nach Asien geschickt. Keiner wusste Bescheid. Dann kam Bergamo mit den bekannten Bildern, die aus Lampedusa stammen. Und sonstige Informationen. Und ich hatte dann von der Plattform HalloMeinung einen Tweet abgesetzt auf Facebook.

Schuld ist eigentlich der Herr Schwarzkopf von der CDU. Mir wurde von ihm etwas unterstellt. Dieser Post war von einer Demo, die stattgefunden hatte gegen die Einschränkung des Grundgesetzes. Der Herr Schwarzkopf hatte mich daraufhin aus seiner Freundschaftsliste entfernt mit den Sätzen: „Diese Demo gefährdet Leben und alles, was wir bereits erreicht haben. Menschen wie Sie, Herr Staubach, tragen mit der unreflektierten Veröffentlichung von Falschmeldungen ebenfalls zu dieser Gefährdung von Menschenleben bei. Ich vermittle Ihnen gerne Gespräche mit den Klinikärzten von Hellersen. Die erklären Ihnen, wie gefährlich dieser Virus ist. Aber ich muss Ihnen für Ihre kruden Ansichten keine Bühne bieten.“

Das war dieser Punkt, worauf ich Herrn Schwarzkopf, weil ich das nicht gerne schriftlich, sondern Auge in Auge mache, auf dem Sternplatz zur Rede gestellt habe. Und Tenor dieser sehr kontroversen Diskussion, die auch in einer etwas angehobenen Lautstärke stattfand, war dann, dass gesagt wurde, wenn ich etwas ändern wollte an der Situation, sollte ich in die Politik gehen. Und nun sitze ich hier.

Aber das war eigentlich der Grund, mich politisch zu engagieren. Die Schnittmengen haben mich dann halt dazu bewegt, in die AfD einzutreten.

Das heißt allerdings auch, wenn Sie Bürgermeister werden, müssen Sie ja zwangsläufig neutral sein.

Ja. Neutral sein und auch vor allem eine vermittelnde Position zwischen den Parteien herstellen, um da irgendwie was bewegen zu können für Lüdenscheid. Nicht nur mit den Parteien, auch sonst mit den Bürgern. Auf meiner Agenda steht Basisdemokratie.

Das heißt, das Erste, was ich durchsetzen würde, wäre ein Kassensturz. Weil: Ich habe mir jetzt fünfmal den Haushaltsplan durchgelesen und habe jetzt einfach mal unterstellt, dass ein Otto Normalverbraucher, so wie ich auch einer bin, da die Zahlen nicht mehr, ich sag mal, überblicken kann. Und für mich wäre es jetzt einfach mal ein Kassensturz, den ich auch veröffentlichen würde, um den Bürgern zu zeigen, wie der Ist-Stand ist, wie die Verbindlichkeiten sind und wie sich die Situation, die finanzielle Situation, in Lüdenscheid überhaupt darstellt.

Jede Gruppierung in Lüdenscheid zeigt ihre Wünsche beziehungsweise ihre Bedürfnisse auf. Aber wir haben ja leider Zwangsmaßnahmen, die uns von oben diktiert sind, die wir ausführen müssen. Und die sogenannten Luxusprobleme, die wir dementsprechend aus einem öffentlichen Topf von dem Geld, was noch übrigbleibt, bewältigen müssen.

Und wie gesagt, ich glaube nicht, dass jeder in Lüdenscheid über die finanzielle Situation im Bilde ist. Und ab einer gewissen Größenordnung möchte ich auch durchsetzen, dass der Bürger ein Mitentscheidungsrecht hat, eine Volksabstimmung. Weil das, was jetzt hier in den letzten Jahren passiert wird, war einfach aus dem Elfenbeinturm heraus etwas zu entscheiden, und das ist nicht mein Stil. Das Ergebnis dieser Volksabstimmung, das wird dann umgesetzt. Auch wenn es jetzt gegen meine Überzeugung wäre, das ist halt der demokratische Gedanke einer Volksabstimmung. Dann geht das an der Lebensrealität der Bürger nicht vorbei.

Was sind die ersten fünf Maßnahmen, die Sie als Bürgermeister umsetzen möchten? Absolute Transparenz. Ich möchte eine gläserne Verwaltung, die es ja jetzt zurzeit nicht gibt. Ich möchte das Gläserne; Den Bürger mitnehmen. Es hat irgendwo seine Grenzen, das ist klar. Aber das, was veröffentlicht werden kann, würde ich gerne veröffentlichen.

Auch möchte ich gerne das Ehrenamt stärken, weil ich da großes Potenzial sehe. Wir sind klamm in der Kasse und jede einzelne Bevölkerungsgruppe muss sich vielleicht auch mal die Frage stellen: „nicht nur was wünschen wir uns, sondern was können wir auch geben für unsere Mitmenschen?“. Damit man vielleicht durch Eigeninitiative der Bürger die Kosten senken.

Nur als Beispiel: Die Jugend möchte gerne nachts einen Bürgerbus haben, damit sie auch heil nach Hause kommt. Es gibt vielleicht eine Gruppe, die da Zeit hat, dass man da zusammenarbeiten kann, dass man das so gestalten kann, dass man da nicht die öffentliche Kasse belasten müsste, sondern das aus der Nachbarschaftshilfe heraus organisieren kann. Da müssen wir, glaube ich, wieder hin.

Wir können Lüdenscheid nur wieder aufpäppeln, wenn wir alle zusammenhalten. Da muss jeder mit dabei, den würde ich auch gerne fordern.

Was auffällt: Es gibt keinerlei Kontaktdaten von Ihnen, keinerlei Termine, wo man Sie erreichen kann. Wenn jetzt ein Bürger Anliegen an Sie hätte, wie kann er Sie erreichen?

Die Telefonnummer wird jetzt zeitnah auf unserem Infoflyer stehen, alternativ über Facebook.

Okay, aber ist das dann Ihre Telefonnummer oder eine generelle Telefonnummer?

Nein, von einem Mitglied, das den Telefondienst macht. Diese Anfragen sollten so schnell wie möglich auch beantwortet werden. Jetzt nicht mit einem Endergebnis, aber zumindest das Feedback, dass es angekommen ist. Das wird funktionieren.

Zudem wird es eine E-Mail-Adresse geben. Die E-Mail-Adresse wird von fünf Personen bearbeitet, so dass die Anliegen der Bürger nicht untergehen. Teilweise haben wir auch Rentner oder Arbeitslose dabei, die in Hochzeiten unterstützen. Insgesamt sind es fünf Leute, die E-Mails beantworten und mehrere Leute, die Telefondienst machen.

Sind das Leute, die mit in den Wahlbezirken aufgestellt sind?

Unter anderem, ja. Also wie gesagt, die meisten sind aus dem Vorstand. Sie wissen selber, die personenbezogene Daten, da gibt es Geheimhaltungspflichten und so weiter. Telefondienst machen nur Personen aus dem Vorstand.

Was eint denn Sie und die anderen AfD-Kandidaten, die für die Wahlbezirke in Lüdenscheid antreten? Weil bis jetzt, wenn ich das richtig gesehen habe, ist keiner vorher kommunalpolitisch tätig gewesen.

Richtig.

AfD-Bürgermeisterkandidat Thomas Staubach, Lüdenscheid, im LD-Interview.
Foto: Aschauer-Hundt

Aber was ist denn die AfD an sich für Sie, wenn Sie sagen, es kommt alles hier aus Lüdenscheid. Was hat dazu geführt, dass Sie sich in der Partei engagiert haben und nicht woanders?

Also meine Intention war, was für die Gemeinde zu tun, für die Kommune. Und ich habe mich ja auch aufstellen lassen für den Märkischen Kreis, denn hier ist meine Heimat. Und Lüdenscheid und der Märkische Kreis ist nicht nur ein Ort, es ist Heimat für mich.

Ich will mich voll und ganz auf die Kommunalpolitik beschränken. Ich habe keine Ambitionen, irgendwo höher zu kommen.

Und das Thema AfD war halt einfach der Überblick über die Schnittmengen seinerzeit in den Corona-Maßnahmen. Aber auch, wie Sie sehen, bin ich patriotisch eingestellt. Das ist die Fahne der Bundesrepublik Deutschland und kein anderes Symbol.

Und das war eigentlich eine Abwägung von Schnittpunkten. Früher, das kann ich Ihnen ganz offen sagen, war ich ein SPD-Mann. In meiner frühen Jugend und auch in meiner Teenie-Zeit, jugendlichen Zeit, jugendlichen Erwachsenenzeit. Helmut Schmidt war mein absolutes Idol. Was heute aus der SPD geworden ist, will ich jetzt nicht kommentieren, aber da habe ich mich nicht mehr wiedergefunden. Auch in anderen Parteien nicht. Das war eine Abwägung von Schnittmengen.

Und Sie wissen selbst aus der Mathematik, wo die größten Schnittmengen sind. Ja. Ich bin nicht mit allen Personen oder sonst was einverstanden. Ich habe da meine eigene Meinung, will da auch nicht weiter darauf eingehen. Aber wie gesagt, die Schnittmengen sind für mich am größten.

Konkret, wie gesagt, da müsste man sehen, inwieweit man das über ein Ehrenamt, ein  Einbringen der Bürger, lösen kann.

Kommen wir auf Lüdenscheid. Sie sagten ja, Sie wollen auch Politik hier für den Ort machen, vor Ort und nicht irgendwie weiter hinaus.

Gut, zu Lüdenscheid. Dadurch, dass wir ja an den Kreis angebunden sind und da vieles Auswirkungen hat auf Lüdenscheid, habe ich mich auch dazu entschlossen, mich für den Kreistag aufstellen zu lassen. Weil, wie gesagt, Lüdenscheid ist nicht der Nabel der Welt.

Ich sehe das bis zur Kreisgrenze. Aber immer noch auf so einem, sagen wir mal, lokalen politischen Aktionsland.

Wie machen Sie das konkret?

Der Ruf der Innenstadt ist schlechter als der wirkliche Zustand. Haben Sie einen Plan, wie Sie das Image, aber auch den Zustand verbessern wollen?

Es sind mehrere Bausteine, die da zusammentreffen. Wenn sich die Bevölkerung zu gewissen Uhrzeiten aus dem öffentlichen Raum zurückzieht, wie ich es zurzeit wahrnehme, dann überlasse ich die Innenstadt einer Gruppe, die nichts Gutes mit Lüdenscheid im Sinn hat, wenn ich das so mal formulieren darf. Die Sicherheit der Bürger steht an oberster Stelle.

Die hat auch was mit Lebensqualität zu tun, die Sauberkeit. Es sind mehrere Punkte, die da zusammentreffen.

Wenn Sie sich die Leerstände angucken, ist, sagen wir mal, der Aufhängepunkt für Lüdenscheid ein bisschen weiter oben. Die machen ja nicht nur wegen der Kommunalpolitik in Lüdenscheid zu. Das sind ja viele Faktoren. Die gesperrte Brücke, die Steuerlast und so weiter. An vielen Punkten kann ich nichts daran ändern. Aber den ersten beiden genannten, Sicherheit wie auch Sauberkeit. Und da ist halt auch mein Thema, wie gesagt, Sicherheit wissen wir selber, dass der finanzielle Rahmen dafür leider eingeschränkt ist.

Die Polizei fährt jetzt auch in Hagen ihre Hochschule runter. Vor Ort können sie das ganze Stadtgebiet nicht flächendeckend abdecken. Und der Ordnungsdienst bzw. die Sicherheitskräfte, die zusätzlich eingestellt worden sind, die zwei Leute. Seufzt Der Tag hat 24 Stunden und zu zweit kann man das auch nicht erledigen. Da muss dran gearbeitet werden.

Eine Bürgerwehr?

Keine Bürgerwehr. Aber es fängt ja schon mit Sauberkeit und Graffiti-Schmiererei an. Wenn wir den Bürger dazu bringen, auch mal was zu sagen und es nicht stillschweigend hinzunehmen. Ich will keine Petz-Kolonie errichten, das nicht. Aber es fängt ja schon damit an, dass jeder selbst sich mal überdenkt. Die weggeworfene Kippe, das ausgespuckte Kaugummi. Damit fängt es doch schon an. Oder bei Rot über der Ampel gehen, wo Kinder dabei sind. Das ist halt das Thema.

Ähnlich wie eine freiwillige Feuerwehr von der Stadt, können Sie sich auch eine Art freiwilliges Ordnungsamt vorstellen?

Müll aufsammeln, was der Stadt wiedergeben. Manche Bezirke verdrecken ja dadurch, dass der Müll nicht ordentlich entsorgt wird, bzw. die Intervalle zu lang sind für die Müllabholung. Ich war im Stadtpark an den Spielplätzen. Die sind verwahrlost, Bänke sind kaputt, Mülleimer quellen über und so weiter. Wenn Sie die Innenstadt hergehen, ich habe noch nie so viele Rattenfallen gesehen. Das hat ja auch was mit der Ordnung und der Sauberkeit zu tun.

Das ist halt das Thema. Da muss jeder Bürger mit in die Pflicht genommen werden. Das fängt bei jedem Einzelnen an.

Wie machen Sie das, die Bürger in die Pflicht zu nehmen?

Ich sage mal so, es müssen Gespräche geführt werden. Ich kann natürlich vor der Wahl mit jedem Kaffee trinken, aber die Arbeit fängt eigentlich erst an nach der Wahl. Das ist halt die Arbeit, die auf mich zukommt, eine Gemeinschaft in Lüdenscheid zu bilden, die Leute aufeinander zuzubewegen. Keine Sprech- und Denkmauern mehr oder Brandmauern, sondern ein Team Lüdenscheid, das zusammenarbeitet.

Sie möchten dann alle Bürger mit einbinden, was für die Stadt zu tun ist?

Dafür bin ich ja da als Bürgermeister. Ich bin ja für alle Bürger zuständig.

Die Stadt Lüdenscheid hat ja seit vielen Jahren, man könnte sogar sagen Jahrzehnten, eine sehr aktive linke Community. Wie würden Sie mit denen umgehen, wenn Sie Bürgermeister sind?

Ich werde auf alle Fraktionen zugehen. Da gibt es keine Ausnahme. Inwieweit die Leute dann mit mir sprechen wollen, Sie kennen die Ablehnungshaltung. Ich kann nur ein Gesprächsangebot machen. Wenn die Damen und Herren oder jegliche Ausrichtung sich nicht mit mir unterhalten wollen, dann kann ich dagegen nichts tun. Eine Kommunikationsbereitschaft muss ja schon da sein, von jeder Gruppe.

Jetzt wollen Sie aber selbst Teil des Systems werden. Wie passt das zusammen?

Auf Bundesebene oder auf Europaebene sind wir ja auch ein Teil der Belegschaft. Im Bundestag mittlerweile die zweitgrößte Fraktion. Wir wollen mal sehen, wo es noch hingeht. Aber es ist ja so, wenn Sie was ändern wollen, dann müssen Sie halt das Spiel mitspielen. Auf demokratischem Wege was verändern, heißt, ich muss mich auch zur Wahl stellen. Und auch dem Problem.

Auf demokratische Wahl sich dem Ganzen stellen, um etwas zu verändern. Heißt das, Sie wollen das Amt für die Stadt, um hier was zu bewegen? Oder wollen Sie vor allem eine Bühne für die AfD und die Partei?

Das hatte ich auch gerade gesagt. Lüdenscheid ist meine Heimat. Und dafür möchte ich was tun. Das ist der Sinn, dass ich mich habe für den Bürgermeister aufstellen lassen. Das ist in dieser Aufstellungsversammlung von uns passiert.

Die Stadt verliert jedes Jahr Einwohner. Warum ziehen die Menschen hier weg? Und wie wollen Sie das ändern?

Wie wollen wir das ändern? Ich kann keine Einwohner an den Haaren herbeiziehen,

das ist klar. Ich hoffe, dass sich das mit der Fertigstellung der Brücke ein wenig ändert. Weil viele Pendler aus beruflichen Gründen weggezogen sind. Alle die, die in Dortmund, Hagen oder noch weiter weggearbeitet haben. Für die ist es ein sehr großer Aufwand, sich jetzt durch den Wegfall der Brücke zur Arbeit hinzubewegen oder wieder zurück.

Das ist ein großer Teil. Ein großer Teil wird auch sein, die wirtschaftliche Lage unserer ansässigen Firmen. Dass sie neue Perspektiven gesucht haben.

Ich glaube, diese beiden Punkte sind eigentlich der massiv größte Teil.

Wie möchten Sie diesen Firmen neue Perspektiven bieten?

An der wirtschaftlichen Lage kann ich nichts ändern. Das ist höher angesiedelt. Ich kann nur durch die Attraktivität, die wir in Lüdenscheid erreichen wollen, Sauberkeit, Sicherheit, vielleicht Entwicklung in neuen Baugebiete, etwas bewegen. Da könnten wir uns vielleicht vorstellen, dass wir durch unsere Gestaltung, auch Kinderbetreuung, mehr Familien oder Einwohner generieren. Aber dazu muss ich erst mal das Gesamtbild von Lüdenscheid verändern.

Stichwort Kinderbetreuung: Brandschutzmängel und Naphtalinbelastung haben zur Schließung mehrerer Grundschulen in Lüdenscheid geführt. Wie möchten Sie als Bürgermeister sowas in Zukunft verhindern?

In Zukunft verhindern? Also ich bin kein Bauingenieur, ich muss mich ja dann auf Fachleute verlassen. Aber wie gesagt: In der Ausschreibung beziehungsweise im Neubau, dass da schon viel stärker darauf geachtet wird, auch auf zukunftsweisende Technologien und auch Materialien zu verbauen. Und wie gesagt, der Personenschutz der Kinder wird ganz oben angesiedelt. Weil das sind ja jetzt Bauten, ich kenne jetzt nicht den genauen Bautermin von der Schule, aber der liegt ja glaube ich schon vor meiner Geburt, und da wurden halt Materialien wie auch am Tunnel zum Brandschutz verwendet - Asbest, wenn ich das mal reinwerfen darf - was zu der Zeit technologisch am sinnvollsten erschien. Dass erst im Nachhinein die Gefährlichkeit durch die Forschung aufgedeckt worden ist, das kann ich jetzt nicht rausreißen und kann es nicht ändern. Ich kann nur für die Zukunft sagen, dass ein Augenmerk draufgelegt wird, quergelesen wird, was verbaut wird und wir hoffen, dass da auch Firmen zum Zuge kommen, die sich auch an diese Vorgaben halten. Ich kann nicht bei jedem Spatenstich vor Ort sein und das überprüfen.

Denken sie, das ist heute anders?

Das ist eine berechtigte Frage, finde ich gut. Die Wahrheit oder die Erkenntnis oder die Forschung braucht immer ein bisschen länger. Durch die europaweite Ausschreibung gibt es an sich schon da drin ein Problem: Die Kommunen sind ja verpflichtet, den Günstigsten zu nehmen.

Naja, es kommt darauf an, wie es ausgeschrieben wird. Dass nicht immer zwangsläufig der Günstigste genommen werden muss.

Ja, aber die Ausschreibung muss schon dezidiert sein, worauf geachtet werden muss. Und bei dieser europaweiten Ausschreibung geht es ja in erster Linie darum, dass Preise abgegeben werden.

Wir haben es ja auch schon erlebt in anderen Kommunen, dass die, die den Auftrag erhalten haben, nach kürzester Zeit, die Flügel strecken mussten und dann musste wieder neu ausgeschrieben werden und das verzögert natürlich alles. Ich kann nichts sicherstellen. Man kann immer nur sagen, zertifizierte Unternehmen, die auch überprüft worden sind, aber da muss ich mich auf die Zertifizierung verlassen.

Also wie gesagt, ich kann nicht persönlich alles kontrollieren, aber in der Ausschreibung müssen schon Punkte festgehalten werden als Mindeststandards.

Das war der Kern bei der Frage: Ist das heute anders? Und finden Sie, dass die Verwaltung aktuelle Ausschreibungen nicht scharf genug formuliert?

Ich kenne nicht jede Ausschreibung. Wir haben von der Vergangenheit gesprochen, vor meiner Geburt und von Gebäuden, die zu dem Stand auf dem technischen Level waren. Diese Gebäude sind schon älter als die jetzige Verwaltung im Rathaus und auch die davor waren. Ich bin gefragt worden, wie ich es abstellen will. Ich habe nur festgestellt, dass wir Mindeststandards in die Ausschreibung einbringen müssen, die erfüllt werden müssen. Ich habe kein Wort davon gesagt, dass Ausschreibungen von jetzigen oder vorverantwortlichen Mitarbeitern falsch waren.

Und wird es eine andere Form der Ausschreibung nach Ihrer Wahl geben, als vor Ihrer Wahl? Das ist der Kern der Frage.

Wie gesagt, dafür muss ich mich erst einarbeiten. Ich habe noch kein Ausschreibungsformular für Gebäude gesehen. Ich habe mich vorher schon eingelesen, aber die genauen Regularien, was der Bauträger bzw. die ausführende Firma machen muss, erfüllen muss. Da wird natürlich ein Augenmerk drauf zu legen sein, dass die Ausschreibung dezidiert ist und umfänglich, was für ein Gebäude notwendig ist.

Wo wir gerade beim Thema Infrastruktur und Bauen sind: Der Rathaustunnel, den Sie gerade selber angesprochenen hatten, ist seit über zehn Jahren eine Baustelle. Wie erklären Sie das den Bürgern? Und was konkret würden Sie anders machen als Bürgermeister?

So, da sind dem Bürgermeister wieder die Hände gebunden. Da kann ich keinem was zu sagen. Denn dieser Rathaustunnel gehört Straßen NRW. Und das ist halt das Problem.

Der Bürgermeister, genau wie mit der Sprengung der Brücke, hat in dem Punkt keine Handhabe. Es gehört nicht zur Kommune. Also haben wir dann immer nur die Möglichkeit, zu bitten, zu drängen, alle Verfahren genauestens zu überprüfen und zu drängen.

Aber wir haben keine Entscheidungsmöglichkeit. Und dass der Rathaustunnel seinerzeit so gebaut worden ist, kann heute keiner von den Lebenden verantworten.

Wie würde heutzutage anders gebaut werden?

Wie gerade erläutert, die Ausschreibungen müssen dementsprechend formuliert sein.

Und ein Mindestmaß wo drauf zu achten ist, dass alle Punkte in Betracht gezogen werden, die erfüllt werden müssen. Und bei dem Ausführer überprüfbar sind diese Zertifikate. Und auch Vorlage der Rechnung, welches Baumaterial verwendet worden ist, dass da in den einzelnen Schritten immer wieder drüber geguckt wird.

Dass das dann auch entsprechend kosteneffizient erfolgt?           

Effizient, ich sag mal, alles, was Sie mehrfach in die Hand nehmen wollen, kostet Geld. Aber in erster Linie steht die Sicherheit der Bürger und die Bausubstanz im Vordergrund. Wenn Sie das im Nachhinein erst feststellen, wir sehen doch jetzt schon seit über zehn Jahren, was da auf uns zugekommen ist.

Mehr Belastung für die Bürger. Und wenn ich das im Vorfeld ordentlich mache, muss ich mich nachbessern oder den Bürgern darunter leiden lassen.

Thema Haushalt. Das Haushaltsdefizit der Stadt Lüdenscheid nimmt von Jahr zu Jahr zu. Was wollen Sie dagegen tun?

Das Thema ist ja vielfältig. Wir haben ja die Haushaltssicherung jetzt. Wir haben Aufgaben, die uns von oben diktiert werden. Es ist dann mehr Augenmerk darauf zu legen, dass diese diktierten Aufgaben auch bezahlt werden von denen, die sie uns aufdiktieren. Ich sag es immer so, wer die Musik bestellt, bezahlt sie. Diese Abwälzung auf die Kommunen, auf die Städte, auf die Gemeinden, auf die Kreise von oben heraus, das funktioniert so nicht mehr. Wir können nicht die Sündenböcke für die Fehler sein, die bei dem Bund gemacht werden.

Und wie gesagt, da müssen wir halt dementsprechend unser Veto einlegen, wenn was gefordert wird, dass gesagt wird, mit dem Geld kommen wir nicht aus. Wir wissen ja selber, dass öffentliche Ausschreibungen kalkuliert werden und dann hinterher zum 2-fachen oder 3-fachen Preis, wenn nicht noch höher, erstellt werden.

Diese freiwilligen Leistungen, die die Kommune initiiert, da ist halt das Thema, alle an einen Tisch zu holen und Prioritäten zu setzen. Aber wie Sie jetzt schon sagten, die Schule ist marode. Also steht die an oberster Stelle, dass die Bildung wieder für die Schüler gewährleistet ist. Und ich hoffe nicht, dass jetzt nach der Wahl bei noch mehr Gebäude der öffentlichen Hand festgestellt wird, dass wir die schließen, teilschließen oder sogar abreißen müssen.

Sie sagten gerade, Sie wollen alle an einen Tisch holen und dann quasi priorisieren, was als Erstes gemacht werden muss, wo der größte Fokus drauf liegt. Gerade jetzt im Hinblick auf die steigende Kreisumlage, die ja immer mehr des Budgets der Stadt auffrisst. Was sehen Sie da als priorisiertes Projekt? Wofür würden Sie am ehesten Geld ausgeben wollen? Was wäre für Sie, ganz platt gesagt, das wichtigste Projekt?

Sie sind doch mit dem Auto gekommen. Wie viele Schlaglöcher haben Sie mitgenommen?

Ausreichend. lacht

Ich sag mal so, der Bürger zahlt Kraftfahrzeugsteuer und wir übergeben so was. Ich sag ja, Lüdenscheid hat derer vieler Bausteine. Ich bin auch kein Wundermann, man kann durch Handauflegen nichts wegretuschieren. Die Infrastruktur, die Sicherheit, die Sauberkeit, das sind, glaube ich, erst mal die ersten Punkte, die wir in Angriff nehmen können und müssen, damit sich der Bürger aber auch wohlfühlt.

Es sind zu viele Punkte gleichzeitig. A, haben wir das Geld nicht dafür. Und B, wir verrennen uns und machen alles nur mit, ich spreche jetzt mal Deutsch, mit einem halben Hintern, wenn ich das mal so platt sagen darf.

Wenn, dann sollten wir es vernünftig machen. Und irgendwo müssen wir anfangen. Da müssen wir uns bei allen Gruppierungen die Meinungen dazu einholen, was prioritätsmäßig jedem auf der Seele brennt. Danach müssen wir Schnittmengen bilden und dann sagen, wir haben jetzt hier einen Strategieplan, was wir jetzt abarbeiten werden, und das zwar zügig. Wie gesagt, durch diese Offenlegung der Finanzen, glaube ich, bekommen wir eine ganz andere Akzeptanz beim Bürger.

Wir können nicht ewig über unsere Verhältnisse leben, Sie können ja auch nicht einen um den anderen Sonderkredit aufnehmen als Privatmann. Irgendwann sagt Ihr Banker: „Ich muss Ihnen den Stecker ziehen.“ Und ich glaube, das müssten wir dementsprechend auch kommunizieren, dass ein Verständnis da ist.

Und wenn wir einen priorisierten Plan haben mit einer Zeitschiene, ich glaube, dass wir dann dadurch mehr Akzeptanz bekommen und die Bürger auch dahingehend mitnehmen.

Aber wenn Sie jetzt priorisieren, dann haben Sie ein Bündel von Maßnahmen, das dabei herauskommt, was abgearbeitet werden soll. Das muss bezahlt werden. Wo holen Sie das Geld her?

Das habe ich ja gerade gesagt. In unserem Wahlkampf werden wir auch Projekte offenlegen, aber auf die wir gestoßen sind, wie die Stadt Geld verdienen kann.

Was sind das für Projekte?

Das wird schriftlich kommen. Zurzeit nimmt die Stadt über Steuern und über Zuschüsse Geld ein und über, ich sag mal, stadtnahe Unternehmen wie die Stadtwerke, die Wasserwerke und so weiter. Also ist der Geldzufluss begrenzt.

Wir sind auf Themen gestoßen, die schon in anderen Kommunen praktiziert werden mit Erfolg: Bitcoin-Mining. Wir haben es auch schon durchgerechnet, kalkuliert, das wird dann dementsprechend auch vorgelegt. Durch Überkapazitäten der Stromerzeugung, Windkraft und Solar haben wir ein Problem des Flatterstroms, dass zu gewissen Zeiten, wenn nicht genug Abnehmer da sind, eine Überkapazität an Strom erzeugt wird.

Diese Überkapazitäten können nicht einfach in die Erde abgeleitet werden, sondern sie werden zurzeit verkauft auf dem freien Markt. Und teilweise, wenn ich sehe, dass nach Österreich Strom geliefert wird, wofür wir noch bezahlen, können wir mit diesen Überkapazitäten in den Stoßzeiten Computer versorgen, die über diese Programme Bitcoins erzeugen. Zum einen wäre es eine Idee, diese Überkapazitäten zu entnehmen und damit diesen Flatterstrom, diese Überspannung, zu regulieren und zweitens eine Einnahmequelle für die Stadt erzeugen.

Wie sieht die dann aus?  Sie schürfen für die Stadt Lüdenscheid Bitcoins?

Es müsste eine Firma dafür gegründet werden, wo die Stadt Anteile dran hält, so wie bei den Stadtwerken. Wir können nicht einfach sagen, der Bürgermeister macht jetzt eine GmbH, das gibt es nicht. Da gibt es gesetzliche Vorgaben, die erfüllt werden müssen.

Auf öffentlichen Gebäuden hätten wir z.B. Flächen für Solaranlagen.

AfD-Bürgermeisterkandidat Thomas Staubach, Lüdenscheid, im LD-Interview.
Foto: Aschauer-Hundt

Erzählen Sie mir nochmal die Geschichte mit dem Bitcoin-Mining. Wie wirkt das auf den Etat der Stadt Lüdenscheid? Wie wirkt das auf unser Stadtsäckel?

Diese Bitcoins werden ja über Programme erzeugt und können auf dem freien Markt über Broker veräußert werden. Dieses Geld würde dann dementsprechend dieser gegründeten Firma zugutekommen und im Anschluss ausgeschüttet. So, dahin gehen wäre eine Einnahme da.

Klar stehen da auch Investitionen hinter, Hardware und Software zum Beispiel. Und auch mit dem Stromanbieter müsste das dann dementsprechend geregelt werden. Und es müssten ja auch Abgaben darauf entrichtet werden.

Aber wie gesagt, der Gewinnanteil für die Stadt Lüdenscheid würde natürlich dem Haushaltssäckel zugutekommen. Wie er dann wird in die einzelnen Bereiche verplant wird, das ist ja schon wieder Ratsarbeit. Und müsste dementsprechend auch vom Rat beschlossen werden. Wichtig ist erstmal, dass sie da sind.

Wir erarbeiten aber gerade noch andere Möglichkeiten, die aber noch nicht spruchreich sind, aber die noch einmal überprüft werden. Also für das Mining, das Konzept, also nicht das gesamte Konzept, aber das Rechenbeispiel, die Möglichkeiten der Erzeugung, der Finanzierung und des Vertriebs haben wir schon alles kalkuliert. Die liegen fertig da und könnten in der Größe auch angepasst werden. Vier Projekte sind noch in der Überprüfung, ob sie auch so umgesetzt werden können.

Wollen Sie da schon mal so ganz grobe Punkte sagen?

Nein, ich sag mal so, über ungelegte Eier kann ich Ihnen noch nicht sagen. Also wenn wir uns da sicher sind und das auch rechtlich abgenickt bekommen haben, auch die Machbarkeit von Fachleuten bestätigt bekommen, wenn wir uns sicher sind, dann kommen wir auf Sie zu und werden das veröffentlichen.

Wo wir gerade bei dem Thema waren, Energieerzeugung und überschüssige Kapazitäten aus Wind- und Energiekraft. Wie möchten Sie dafür sorgen, dass die Stadt Lüdenscheid ihre Klimaziele erfüllt? Bis 2030 muss ja ein gewisser Prozentsatz nachhaltiger Energien stammen.

Also was wir alle nicht wollen, ist in der Stadt Windkraftanlagen auf den öffentlichen Dächern, wenn sich jetzt jeder so eine Solaranlage aufs Dach macht. Erst mal haben wir ein Problem der Mieter und der Eigentümer, dass ja dieses Heizungsgesetz ja immer noch besteht. Ich habe die Befürchtung, dass hier viele Immobilien in den Vertrieb gehen, weil die jetzigen Eigentümer diese Umbaumaßnahmen nicht finanzieren können. 

Dann gibt es noch das Gesetz, dass auf jedes Haus Solaranlagen sollen. Damit hätten wir schon die CO2-Ziele umgesetzt in den Neubauten. Aber durch das Heizungsgesetz sind da jetzt demnächst ja auch Altbauten betroffen. 

Ich kann als Bürgermeister keine Vorschriften machen. Das wäre ja der Rat, der das umsetzt. Die Aufgaben des Bürgermeisters sind ja beschränkt. Ich kann im Alleingang ohne den Stadtrat ja gar nichts machen. Das ist das Thema. Ich bin die Leitung der Verwaltung, ich bin der Ansprechpartner für Bürger, für alle Bürger in Lüdenscheid. Ich kann anregen. Klar habe ich auch eine Stimme im Stadtrat.  Aber ich kann jetzt nicht ein Projekt aus dem Ärmel zaubern, wie ich den CO2-Abdruck minimieren kann, und im Rat wird was anderes beschlossen.

Generell, Sie sagen ja, Sie sind jemand, der vermitteln muss. Wie gelingt Ihnen die Kompromissfähigkeit mit den von der AfD oft als Altparteien bezeichneten anderen Akteuren im Rat?

Wir wollen nicht übereinander sprechen, sondern miteinander. Das Übereinander hatten wir jetzt, aber das Miteinander hat noch nicht stattgefunden. Ich werde jedem die Hand reichen und für jeden offen sein. Ich werde keinen ausgrenzen und mit allen sprechen und mir das auch anhören.

Solange es dem Wohle Lüdenscheids dient und man mich dahingehend überzeugen kann in einer Diskussion, werde ich das auch umsetzen, wenn es in meiner Macht steht.

Wo wir gerade bei dem Thema sind. Was sagen Sie heute den Menschen, die wegen Ihrer Partei Angst haben? Sei es wegen Ausgrenzung, wegen Hass oder wegen Abwertung?

Vor uns hat man Angst? Sind AfD-nahe Organisationen oder Menschen gewaltbereit?

Es gibt garantiert Menschen, die das sagen würden.

Ich sage mal, von mir braucht keiner Angst zu haben. Sie können sich mein polizeiliches Führungszeugnis angucken, ich habe noch nie jemanden auf offener Straße mit dem Hammer erschlagen oder bin mit einem Tuch vor dem Gesicht beschimpfend auf andere Leute zugegangen. Ich zeige mein Gesicht und bin zu jeder Diskussion bereit.

Klar bin ich auch ein Mensch. Wenn ich Auto fahre, rege ich mich auch auf. Hat wohl jeder.

Ich sage mal, vor den Leuten, die hier vor Ort sind. Es sind Menschen aus Ihrer Mitte. Es sind Nachbarn von Ihnen. Es sind Arbeiter, es sind Angestellte. Von denen braucht keiner Angst zu haben.

Wenn wir uns hier so umschauen auf dem Spielplatz, wie sieht es mit den Besuchern des Spielplatzes aus?

Die Immigranten meinen Sie?

Die Bürger.

Ich bin hier aufgewachsen. Ich kann auf fünf Sprachen fluchen. Meine besten Freunde sind, jetzt darf ich nichts Falsches sagen, Jugoslawen haben wir früher gesagt. Aber es sind Bosnier, Kroaten, Serben. Ich habe vor zwei Wochen erst erfahren, dass ein Bosnier, der ein sehr guter Freund von mir ist, Muslim ist.

Schlimm?

Überhaupt nicht. Mich interessiert der Mensch.

Ich habe zurzeit vor meinem geistigen Auge ständig Frau Weidel am Podium.

Warum vergleichen Sie andere Personen mit mir?

Ich habe Frau Weidel vor mir, wie sie Remigration buchstabiert und vergleiche das gerade mit Ihrem Vortrag. Ich denke, das sind zwei Welten. Wie geht das?

Sie haben jetzt das Wort Remigration in Ihrem Vortrag. Wenn hier jemand nach unseren Gesetzen lebt, sich in die Gesellschaft einbindet, hier arbeitet, hier Steuern zahlt, ein unbescholtener Bürger, gibt es nichts. Oder jemand als Fachkraft hier gerne arbeiten möchte. Mit Kusshand würde ich den nehmen. Aber wer gegen Gesetze verstößt oder unsere Gesellschaftsform ablehnt, hier die Scharia einführen will, gegen unser Grundgesetz ist, der gehört hier nicht hin.

Das kommt ja ganz entscheidend darauf an, wer in der AfD dieses Wort Remigration buchstabiert. Das geht ja von einer relativ umgrenzten Personenzahl, wie Sie sie gerade schildern, bis hin zu Millionen, die man gerne loswerden möchte.

Wieso Millionen? Wer sagt das? Wer legt das denn da rein? Wer hat das gesagt aus der AfD?

Das ist die Höcke-Fraktion. Da kommt das her.

Ich bin nicht Herr Höcke. Ich bin auch nicht in Thüringen, obwohl ich da zweieinhalb Jahre lang gelebt habe. Aber wie gesagt, ich möchte Politik für Lüdenscheid machen. In einer freien und offenen Gesellschaft haben Verbrecher, Vergewaltiger, Totschläger nichts zu suchen.

Es ist unglaublich drastisch, wie Sie sich jetzt hier gerade kategorisieren.

Ich kategorisiere nichts.

So empfinde ich das.

Ich kann nichts dafür, wie Sie empfinden. Es tut mir leid, wenn Sie das so empfinden. Ich möchte Sie nicht verletzen. Aber wie gesagt, da sind unsere Gesetzbücher für da. Und Straffällige gehören ins Gefängnis. Und Leute, die keinen Aufenthaltstitel haben, sollten zurückgeschickt werden, da gibt es Gründe für. Das ist aber nicht meine Aufgabe als Kommunalpolitiker, als Bürgermeister.

In einer gewissen Weise schon, weil Sie später das Ordnungsamt in Ihrer Regie haben werden. Sie sind ja staatliche Verwaltungsbehörde.

Ja, in der Hinsicht, dass ich dahingehend auch beschränkt bin. Das Ordnungsamt hat keine Polizeigewalt. Deshalb geht auch immer ein Polizist mit dem Ordnungsamt mit, zum großen Teil. Das Ordnungsamt hat eingeschränkte Rechte. Bei, sagen wir mal, Festnahmen im öffentlichen Raum beziehungsweise wenn jemand abgeschoben wird, kann es natürlich auch sein, dass das Ordnungsamt Hilfestellung gibt bei der Festnahme. Aber das Ordnungsamt führt die Festnahmen nicht alleine durch.

Wir richten uns nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland und machen keine eigene. Die ausführende Gewalt ist und bleibt die Polizei. Ich wollte es nur nochmal klarstellen.

Wir wollen hier zusammenleben in Frieden. Jeder soll nach seiner Fasson leben dürfen. Und nochmal gesagt, Störer, straffällig gewordene, die haben in einer offenen, freien Gesellschaft nichts verloren. Dafür gibt es Mittel, sie ins Gefängnis zu stecken oder, wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben, wieder zurückzuschicken.

Ich verstehe Sie aber so, dass es da keinen Unterschied nach der Nationalität gibt, sondern dass Straftäter gleich Straftäter ist.

Der gehört nicht zu unserer Gesellschaft, weil er unsere Gesellschaft ablehnt.

Das heißt, auch Deutsche, die sich entsprechend verhalten, gehören ebenso nicht zu unserer Gesellschaft?

Ich kann einen Deutschen nicht ausweisen, ich kann ihm ja nicht die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen, er gehört ja zu uns. Er wird aber gemaßregelt nach dem Strafgesetzbuch. Das ist das eine. Ich kann keinen Deutschen ausweisen. Geht nicht. Ich kann ihn einsperren und von der Gesellschaft kann ich ihn zu ihrem Schutz separieren.

Wir haben aber gerade von Straftätern gesprochen. Wir haben von Nichtaufenthaltsberechtigten gesprochen. Jegliche Straftat gegen Leib und Leben gehört nicht in die Gesellschaft, auch nicht von Deutschen.

Wie groß ist Ihrer Meinung nach denn in Lüdenscheid die Gruppe derer, die hier kein Aufenthaltsrecht haben?

Also wir haben knapp 71.500 Bürger, 100 Nationen. Die genaue Zahl derer, die ausreisepflichtig sind, sind uns noch nicht bekannt. Wir haben Anfragen gestellt, aber keine Antworten bekommen, da wir noch keine Ratsfraktion sind.

Aber wir sind uns einig, dass bei 71.500 Bürgern diese Gruppe eine Randgruppe bildet.

Die wird nicht das Stadtbild prägen, es ist eine Randgruppe. Aber auch Randgruppen können, wenn wir von Straftätern reden, die Gefährlichen die Gesellschaft beherbergen. Und die Beobachtung obliegt nicht dem Bürgermeister oder dem Rat, sondern den jeweiligen Bundesländern.

Wir reden von mehr... Das Ausreisepflichtig hat mehrere Facetten. Ausreisepflichtig heißt, er hat nicht die Grundlagen, hier einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Also er erfüllt nicht das Recht, hier zu sein.

Ich frage mich gerade, ob wir nicht über eine so geringe Personenzahl reden, dass das eigentlich hier im Kommunalwahlkampf gar keine Relevanz hat.

Ich hätte das Thema gar nicht reingeworfen, weil das nicht meine Aufgabe ist, die Leute abzuschieben. Das ist höher angesiedelt als im Stadtrat oder im Kreis.

Naja, sie sind im Grunde in dieses Gespräch reingegangen, haben [bevor das eigentliche Interview begann, Anm. d. Red.] erzählt, wie sie hier auf diesen Platz kommen. Und ihr zweiter Satz ging bereits um Migranten.

Wie gesagt, sie sind unsere Mitbürger. Es ist auch kein kleiner Anteil von Lüdenscheid. Und er gehört zu Lüdenscheid. Das ist der Punkt.

AfD-Bürgermeisterkandidat Thomas Staubach, Lüdenscheid, im LD-Interview.
Foto: Aschauer-Hundt

Sie sagen, die Migranten gehören in ihrer Summe zu Lüdenscheid.

Ja, sie gehören hier zu. Sie leben hier, sie arbeiten hier und bringen sich auch in gewissermaßen kulturell oder auch vom Stadtbild her ein. Ich bin auch hier aufgewachsen unter Immigranten. Hier waren Deutsche, hier waren Türken, hier waren Portugiesen, Spanier, Griechen. Wir haben zusammen Fußball gespielt. Es kann doch gehen, wir kämpfen zusammen. Ich bin 59, werde 60.

Aber wie gesagt, damit sind wir aufgewachsen. Ich habe gegen keinen Menschen was. Es kommt darauf an, wie er auf mich zukommt, wenn mich jemand ablehnt, dann kann ich nur sagen, ist in Ordnung. Aber ich hasse niemanden oder bin auch nicht gewalttätig gegen jemanden. Ich bin eher lieber jemand, der auf jemanden zugeht und möchte ihn kennenlernen.

Das hätte jetzt auch Herr Wagemeyer sagen können.

Ich werde mich nicht zu Herrn Wagemeyer äußern. Und auch nicht zu Frau Alzorba.

Sie haben ja gesagt, der Bürgermeister hat nicht alles in der Hand. Oder er hat wenig in der Hand. Das gilt für jeden.

Wenn wir jetzt unseren amtierenden Bürgermeister sehen, und die Kritiken, hat das, glaube ich, auch etwas damit zu tun, dass die Informationen des Einzelnen nicht da sind. Zum Beispiel mit Blick auf den Rathaustunnel. Dem Bürgermeister sind die Hände gebunden. Das ist Straßen.NRW. Aber diese Informationen hat nicht jeder. Aber wer steht denn unten vor dem Bürger? Das ist der Bürgermeister. Der hält den Kopf hin. Das zu diesem Thema.

Das ist jetzt wieder der Rathaustunnel. Aber wie wollen Sie die Informationen geben? Wie wollen Sie das verbessern, sicherstellen, dass demnächst flächendeckend Informationen da sind?

Wie gesagt, da ist auch noch dran zu arbeiten. Da sind auch Sie gefordert. Ihnen muss Informationen zur Verfügung gestellt werden. Dass die Information auch rausgetragen wird. Es nützt nichts, einen Zettel im Rathaus aufzuhängen. Die meisten Leute gehen nicht ins Rathaus. Die gehen dran vorbei. Also muss ich sie publik machen.

Aber wie?

Wie gesagt, ich muss auch sicherstellen, dass ich kommunikativer werde. Mehr nach außen gehen, raus aus dem Elfenbeinturm. Nicht nur Gläser machen, es auch transparent machen. Durch Gespräche mit Ihnen. Ich kann nicht jeden Lüdenscheider an die Hand nehmen und ihm diese Informationen geben.

Das Medium ist dann die Presse, die es dann verbreitet. Oder die Homepage der Stadt Lüdenscheid zum Beispiel auch. Aber wir können ja nicht sicherstellen, dass jeder Zeitung liest, die neuen Medien liest, oder ins Internet geht.

Wir wissen ganz genau, dass wir einen gewissen Prozentsatz auch über die öffentlichen Medien nicht erreichen. Ich kann nur Informationen zur Verfügung stellen. Und Transparenz leben. Aber ob ich jeden erreiche, das weiß ich nicht. Ich kann es aber so versuchen. Und dazu bin ich bereit.

Jetzt verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist kein Angriff. Aber was unterscheidet das von einem Wagemeyer? Der kann es doch auch nicht anders machen. Er kann doch auch nur Infos zur Verfügung stellen.

Er kann Infos zur Verfügung stellen. Das ist nicht meine persönliche Meinung, das ist eine Aussage von Leuten, die auf mich zugekommen sind: Es wird so viel aus dem Elfenbeinturm herausgeschaut, aber nicht herausgegangen. Das war eine Kritik von jemand anderem.

Was ist demjenigen widerfahren?

Das kann und darf ich jetzt so genau nicht sagen.

Dann sagen Sie es ungenau.

Dann sage ich es mal so: Es war ein persönliches Treffen mit dem Herrn Wagemeyer. Und damit war er unzufrieden. Es sind einige, die nach Bekanntgabe, dass ich kandidiere, auf mich zugekommen sind. Auch Menschen, mit denen ich auf Facebook nicht befreundet bin. Meistens über persönliches Anschreiben, über Messenger oder sonst was.

Um aus diesen Nachrichten einen Konsens zu ziehen: Es wird die Öffentlichkeitsarbeit vom jetzigen Bürgermeister moniert. Das ist so eigentlich die Essenz, die aus der Gesamtheit der Anschreiben oder der Gespräche herauszufinden ist.

Gegen wen werden Sie in der Stichwahl sein?

Lacht. Also die Glaskugel hätte ich jetzt gerne.

Es hat der Wähler zu entscheiden, inwieweit er mich befähigt sieht für dieses Amt. Ich habe mit der Frau Alzorba noch keinen Kaffee getrunken. Ich habe mich aber persönlich bei ihr vorgestellt. So fair war ich schon. Es war an dem Tag, wo plakatiert wurde. Wir haben uns auf einen fairen Wahlkampf verständigt.

Mit oder ohne Handschlag?

Mit Handschlag. Ich sage mal so, ich habe mal was geschworen. Ich war bei der Bundeswehr. Es war zwar ein Gelöbnis, aber für mich war es ein Schwur. Ich habe auch in meinem Leben viele Versprechen gemacht. Ich habe sie aber eingehalten. Reden und hinterher nichts wissen, das gibt es nicht bei mir. Wenn ich was zusage, wird es gehalten.

Aber gegen wen treten Sie in der Stichwahl an? Ihre persönliche Prognose.

Meine Prognose? Frau Alzorba.

Welche Schlagzeile würden Sie nach fünf Jahren Amtszeit gerne über sich lesen?

Ich kann das so nicht greifen, die Schlagzeile. Dafür ist die Presse zuständig, oder? Die Beurteilung, dieser Nachruf, der kommt immer wieder unabhängig.

Herr Staubach, vielen Dank für das Interview.