Menschen in Schutzanzügen und Absperrbänder, Desinfektion von Geräten und das Einfangen von Tieren – Szenen wie diese sind in der Regel ein untrügliches Zeichen für den Ausbruch einer Tierseuche. Vogelgrippe, Maul- und Klauenseuche oder die Schweinepest sorgen dann für Unruhe und Unsicherheit unter Tierhaltern und in der Bevölkerung.
„Nur eine Übung“ – dank dieses Hinweises konnten Passanten am 29. April am Kemnader See sowie an der Wildvogel-Auffangstation Paasmühle in Hattingen Szenen wie oben beschrieben vergleichsweise gelassen beobachten.
„Tote Wildvögel am Kemnader See“
Ausgangspunkt des Übungsszenarios waren Informationen über mehrere „tote“ Wildvögel am Kemnader See. Dort galt es also die Tiere – in diesem Fall 18 bunte Plastikenten – unter Beachtung der Seuchenrisiken zu finden und zu bergen. Folglich lautete die Vorgabe für alle Teilnehmer: Ab in Schutzanzüge und Gummistiefel, Mund-Nasen-Maske und Augenschutz aufsetzen und Handschuhe anziehen. So gekleidet starteten sie in vier DLRG-Booten ihre Suchfahrten auf den Kemnader See.
„Die Fundtiere wurden in Plastiksäcken gesammelt, im Ernstfall würden sie anschließend zu Untersuchungen transportiert, um herauszufinden, ob sich der Verdacht auf Vogelgrippe bestätigt oder nicht“, berichtete Tierärztin Janine Herden, Einsatzleiterin des Veterinäramtes am See. Parallel hatte sie im Blick, ob die Bootsbesatzungen am Einsatzende die für sie vorgeschriebenen Desinfektionen einhalten und die Schutzkleidung in der Reihenfolge ablegen, wie es vorgesehen ist.
Schwäne als Statisten
Tierisch lebendiger ging es zeitgleich an der Paasmühle zu. Hier stand das Einfangen und Beproben von Wasservögeln auf dem Programm, als Statisten dienten hier keine Plastikmodelle, sondern echte, lebendige Schwäne. Keine leichte Aufgabe, schließlich sei mit Schwänen nicht zu spaßen: „Am Ende konnten wir aber wie gewünscht Stäbchen- und Tupferproben bei allen vorgesehenen Tieren nehmen“, zog Dr. Bettina Buck, Amtstierärztin des Ennepe-Ruhr-Kreises, eine positive Bilanz.
Auch vor der wohl schwierigsten Aufgabe im Falle eines Falles hatten die Schreiber des Übungsprogramms nicht zurückgeschreckt: Infizierte Tiere zu töten. Hierfür kämen im Ernstfall gasdichte Behälter und Kohlendioxid, aber auch Bolzenschussgeräte und der Kopfschlag zum Einsatz. „Um über deren Einsatz zu sprechen, haben wir das hierfür notwendige Material hier vor Ort. Anwenden mussten wir es heute erfreulicherweise nicht“, so Dr. Buck.
Abläufe abstimmen und schnell reagieren
Beobachtern an den Schauplätzen – zu denen als Krisenzentrum auch noch das Schwelmer Kreishaus zählte – wurde schnell klar: Im Ernstfall müsste von Behörden und Hilfsorganisationen schnell reagiert werden, es käme darauf an, eine Vielzahl von Einzelaktionen gleichzeitig ablaufen zu lassen und formal korrekte Verfügungen und rechtlich verbindliche Vorgaben so zeitnah wie möglich auf den Weg an die Geflügelhalter zu bringen. „Gelingen kann dies natürlich nur, wenn die Abläufe eingeübt sind, die Akteure sich möglichst nicht zum ersten Mal über den Weg laufen und Schwächen im System oder Zusammenspiel nicht unentdeckt bleiben“, so Dr. Buck zum Wert der über Wochen minutiös geplanten Übung.
Unmittelbar nach der „Entwarnung“ für die mehr als 70 Beteiligten zeigte sie sich grundsätzlich zufrieden, merkte aber auch an: „Eine Analyse aller Details ist so schnell nicht möglich. Dafür werden wir noch einige Zeit benötigen.“
„Alleine schnell an der Belastungsgrenze“
Zufrieden waren die Vertreter aller sieben beteiligten Veterinärämter aber in jedem Fall mit der von ihnen vereinbarten Kooperation: „In Seuchen-Ernstfällen ist ein Amt alleine schnell an seiner Belastungsgrenze. Beruhigend, hier unsere Nachbarn um Hilfe bitten zu können“, betont die Kreisverwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises. Die „Nachbarn“ sind neben dem Märkischen Kreis auch der Oberbergische Kreis, der Rheinisch-Bergische-Kreis, der Rhein-Sieg-Kreis sowie die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe.